Die Akte Nr. 113
du ein hübsches
Sümmchen?«
»Nun, zum Beispiel –
Hundertfünfzigtausend Frank.«
Raoul lächelte verächtlich.
»Mein sehr verehrter Onkel beliebt zu scherzen.
Glaubst du, ich kenne dich nicht? Mir bietest du diese Lappalie,
während du sicherlich dich mit einer Million aus dem Staube
machen wirst.«
»Du bist nicht bei Trost,« versetzte Louis.
»Leugne nicht, was habe ich von dem ganzen Gelde, das
wir Frau Fauvel oft gegen meinen Willen entrissen haben, bekommen? Kaum
den zehnten Teil ...«
»Wir haben ja davon noch einen Zehrpfennig.«
»Jawohl, aber er ist in deinen Händen, und wenn die Sache schief ginge, dann würde
der Herr Onkel sich und die Kasse in Sicherheit bringen, der Neffe aber
ohne einen roten Heller dastehen und könnte ins Zuchthaus
wandern.«
»Das kannst du von mir glauben?« sagte Louis
beleidigten Tones.
»O ja, das und noch viel mehr. Übrigens kann
ich dir sofort beweisen, daß du mich betrügen
willst.«
»Wieso?!«
»Hast du mir nicht gesagt, daß dein Bruder
im bescheidenen Wohlstand lebe? Nun, das ist eine Lüge
– er ist vielfacher Millionär – ich kann
dir haarklein all seine Besitzungen aufzählen – du
stehst, werter Onkel, ich habe die Zeit meines Hierseins nicht
verloren.«
Louis fand keine Antwort darauf.
»Das ist aber nicht alles, was ich dir vorzuwerfen
habe, ich ärgere mich hauptsächlich darüber,
daß das Spiel durch deine Schuld verloren ist. Frau Fauvel war
für uns die Henne mit den goldenen Eiern; statt uns nun mit
dem was sie freiwillig gab, zu begnügen, mußte ich
die arme Frau halb zu Tode quälen, so daß sie jetzt
nicht mehr aus noch ein weiß.«
»Das war nötig.«
»Dann setzest du dir in den Kopf, Magda zu heiraten
– sie aber ist imstande, die Anzeige bei der Polizei zu
machen...«
»Das wird sie nicht.«
»Die Zukunft wird's lehren, wer recht hat. Am
einfältigsten aber hast du dich betragen, als du die ganze
Geschichte einfädeltest, du hättest dich eben besser
erkundigen müssen. Du sagtest mir: dein Vater ist tot
– und siehe da, jetzt lebt er, und wir haben uns in einer
Weise betragen, daß ich nicht vor ihm erscheinen kann. Statt
der Million, die er mir sicher – wenn nicht mehr –
geschenkt hätte – bekomme ich jetzt nichts
– und das danke ich dir ...«
»Genug,« fiel Louis heftig ein,
»wenn ich alles aufs Spiel setzte, so habe ich auch ein
Mittel, um die Partie zu retten.«
»Da wäre ich neugierig. Wenn Gaston seine
geliebte Valentine aufsucht, wird er alles erfahren und dann
– gute Nacht!«
» Wenn er sie aufsucht,« versetzte Louis.
Raoul antwortete nicht und beide schwiegen, ein furchtbarer
Gedanke war beiden gleichzeitig gekommen und sie erschraken selbst
darüber. Sie äußerten kein Wort, aber sie
verstanden sich.
Nach einer langen Pause brach Louis endlich das
drückende Schweigen.
»Also,« begann er, »willst du die
Hundertfünfzigtausend Frank, die ich dir für dein
Verschwinden anbiete? Überlege dir die Sache noch einmal
gut.«
»Ich habe sie schon überlegt, ich
weiß, du willst mich betrügen, aber ich weiß
auch, daß ein ungeheueres Vermögen zu gewinnen ist.
Ich will es entweder erringen oder zugrunde gehen.«
»Wohl, es sei. Wirst du nur blindlings
gehorchen?«
»Ja, denn ich weiß, daß du jetzt
nicht mehr versuchen wirst, mich zu betrügen.«
»Also höre, vor allem hast du sofort nach
Paris zurückzukehren, dann begibst du dich zu Frau Fauvel und
bist wieder der liebenswürdige gute Sohn; du erzählst
ihr, daß du dich mit mir vollständig
überworfen hast und kannst mich in den schwärzesten
Farben malen.«
»Wie, auch vor Magda?«
»Auch vor Magda. Kennst du nicht die Geschichte jenes
Mannes, der Feuer in das Haus seiner Geliebten legen ließ, um
sie aus den Flammen retten zu können? Nun, wenn der geeignete
Zeitpunkt gekommen sein wird, lasse ich durch dich moralisch Feuer in
Frau Fauvels Haus legen und rette dann sie und ihre Nichte. Je
schwärzer ich ihnen jetzt erscheine, desto lichter wird ihnen
der Rettungsengel erstrahlen. Verstehst du jetzt?«
Die beiden Kumpane verabredeten noch, daß sie
einander schreiben, in wichtigen Fällen aber telegraphieren
würden und dann trennten sie sich.
Einige Tage nach Raouls Abreise wurde Gaston
plötzlich unwohl. Es flimmerte ihm vor den Augen und ein
Schwindel befiel ihn, so daß er kaum aufrecht zu stehen
vermochte. Er legte sich zur Ruhe und hoffte, daß der Zustand
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