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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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sich in Bälde bessern würde; aber im Gegenteil, er
verschlimmerte sich, es stellten sich unerträgliche
Kopfschmerzen und ein großes Angstgefühl ein.
    Louis tat sehr besorgt und ließ sofort den Arzt
rufen. Dieser fand die Sache unbedeutend und verordnete nur einige
beruhigende und schmerzstillende Mittel.
    Am nächsten Tag fühlte sich Gaston wieder
wohler, er stand auf und ging seiner gewohnten Tätigkeit
wieder nach, aber abends erneuerte sich der Anfall, er war sogar weit
heftiger als das erste Mal, und als der Arzt kam, fand er zu seiner
Verwunderung so beunruhigende Symptome, daß er fragte, ob die
verordnete Dosis Morphium überschritten worden wäre.
Aber der alte brasilianische Diener, der schon seit zehn Jahren in
Gastons Diensten stand und jetzt die Krankenpflege übernommen
hatte, versicherte, daß er sich genau an die
ärztliche Vorschrift gehalten habe.
    Der Zustand Gastons verschlimmerte sich von Tag zu Tag, die
Gelenke begannen zu schwellen, die Schmerzen waren qualvoll und er
besaß kaum so viel Kraft, um sich im Bett aufzurichten.
    Da gedachte er, sein Haus zu bestellen. Er hatte schon damals,
als er nach seiner Rückkehr nach Frankreich, erkrankte, ein
Testament gemacht und sein Vermögen zu wohltätigen
und gemeinnützigen Zwecken bestimmt, jetzt, da er den Bruder
wiedergefunden, wollte er das Testament zu seinen Gunsten
ändern und Louis zum Universalerben einsetzen.
    Der Notar, der mit der Abfassung des Testamentes betraut
wurde, war ein findiger Herr; er sagte Gaston, wenn er seinem Bruder
die Hälfte des Vermögens als eine von ihm gemachte
Einlage gut schrieb, so hätte Louis später weniger
Erbschaftssteuer zu bezahlen.
    Gaston war über den Vorschlag sehr erfreut und bat
den Notar, sogleich den diesbezüglichen Vertrag aufzusetzen.
Dann ließ er Louis holen, da dessen Unterschrift
unerläßlich war.
    Als Louis erfuhr, um was es sich handelte, sträubte
er sich es anzunehmen, und zwar in einer Weise, die seine
Uneigennützigkeit und sein Zartgefühl ins
schönste Licht stellten, ließ sich aber
schließlich doch überreden, seinen Namen unter den
Vertrag zu setzen.
    Die sonderbarsten Gefühle bewegten ihn nun. Er war
reich, ungeheuer reich, er hätte nun in Frieden leben
können – aber es war zu spät, er konnte
nicht mehr zurück, mußte wohl oder übel
vorwärts auf der abschüssigen Bahn, auf der er sich
befand.
    Gastons Zustand besserte sich nicht, aber inmitten der
größten Schmerzen sprach er immer von Valentine und
seiner Absicht, sobald er wieder gesund wäre, nach Paris zu
fahren. Aber eines Tages sagte er zu Louis: »Ich glaube, der
Klimawechsel ist schuld, ich täte vielleicht am besten, wieder
nach Brasilien zurückzukehren.«
    Ja, das war ein Gedanke! Louis stimmte von ganzen Herzen zu
und bestärkte ihn nicht nur in seiner Absicht, sondern
versprach ihn auch zu begleiten.
    Er atmete förmlich auf; wenn Gaston seinen
Entschluß ausführte, dann war ja keine Gefahr mehr
vorhanden, dann war das – Äußerste nicht
nötig!
    Und von diesem Tage an besserte sich Gastons Zustand
merkwürdigerweise, und nach Verlauf von einer Woche konnte er
schon auf Louis' Arm gestützt, im Garten einige Schritte
machen.
    Die Genesung schritt langsam, aber stetig vor. Gaston konnte
wieder freier atmen, das Angstgefühl war gewichen und neue
Lebensfreudigkeit durchströmte ihn. Er sprach viel von
Brasilien und der bevorstehenden Reise. Louis konnte den Tag der
Abreise kaum erwarten und nötigte den Bruder recht zu essen,
damit er sich rasch kräftige.
    Endlich war Gaston so weit hergestellt, daß er das
Hüttenwerk wieder besuchen konnte. Als er die
Hochöfen in voller Tätigkeit sah und die Arbeiter,
die alle an ihm hingen, weil er ihr Freund und Wohltäter war,
schlich sich ein leises Bedauern in sein Inneres. Die Arbeit, die er
kaum begonnen, die ihm lieb geworden, sollte er verlassen? Sein
Entschluß schwankte von Tag zu Tag mehr, und
schließlich kam die alte Sehnsucht nach der Jugendgeliebten
wieder zurück.
    »Nein,« sagte er zu Louis, »ich
kann Frankreich nicht eher verlassen, bis ich nicht Valentine
wiedergesehen habe.«
    Und am selben Tag noch schrieb er dem alten Schulfreund und
bat um Auskunft.
    Dieser Brief aber ist nie an seine Adresse gelangt –
Louis hatte sich anheischig gemacht, ihn selbst zur Post zu tragen.
    Unerklärlicherweise bekam Gaston einen
Rückfall seiner Krankheit, und von dem Augenblick an

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