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Die Akte Nr. 113

Titel: Die Akte Nr. 113 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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eine neue
Wendung gegeben werden, und das wird der letzte Akt sein. Schon morgen
wirst du der Frau Fauvel erzählen, daß ich meinen
natürlichen Bruder entdeckt und beerbt habe. Inzwischen wird
der Bankier durch meinen Notar in Oloron verständigt sein,
daß das bei ihm hinterlegte Geld mir gehört; hierauf
erscheine ich bei ihm und ersuche, es weiter in Verwahrung zu halten.
Und jetzt kommt das Wichtigste, ich begebe mich zu Frau Fauvel und
halte folgende Rede: Verehrte Frau, solange ich mittellos war, sah ich
mich leider genötigt, Ihre Hilfe für den Sohn meines
Bruders, der auch der Ihre ist, in Anspruch zu nehmen. Leider hat sich
der Junge undankbar gezeigt, er hat Ihnen schweren Kummer bereitet, er
ist, mit einem Wort, ein Taugenichts. Aber er soll Ihnen nicht
länger zur Last fallen, jetzt bin ich reich und ich komme
Ihnen mitzuteilen, daß ich von nun an allein für
Raouls Leben und Zukunft sorgen werde...«
    »Und das nennst du eine dramatische
Verwicklung?«
    »Warte, das Dramatische kommt noch. Unzweifelhaft
wird Frau Valentine von meiner schönen Rede gerührt
sein und mich bitten, in meiner Großmut einen Schritt weiter
zu gehen und auf Magda zu verzichten. Darauf aber erwidere ich: Nein,
das kann ich nicht, Sie hielten mich für habgierig, aber ich
bin es nicht? ich liebe Fräulein Magda um ihrer selbst willen,
und würde sie auf den Knien bitten, mir die Ehre zu erweisen,
Marquise von Clameran zu werden, selbst wenn sie völlig
unbemittelt wäre. Und um Ihnen, gnädige Frau, die
Aufrichtigkeit meiner Gefühle zu beweisen, gebe ich Ihnen mein
Ehrenwort, daß ich am Tage meiner Vermählung mit
Fräulein Magda Raoul eine Anweisung auf eine Jahresrente von
fünfundzwanzigtausend Frank übergebe.«
    »Bravo! Dieses letzte Argument wird meine Frau Mutter
ganz auf deine Seite bringen,« warf Raoul ein.
    »Gewiß, damit aber der schönen
Magda das Opfer nicht gar zu schwer fällt, müssen wir
ihren edlen Ritter Bertomy in ihren Augen etwas herabzusetzen suchen.
Die Damen müssen erfahren, was für ein
schändliches Lasterleben er führt, er spielt, trinkt,
lebt im gemeinsamen Haushalt mit einer Dirne...«
    »Die notabene reizend ist; vergiß nicht zu
sagen, daß Dame Gypsy wunderschön ist, das wird eine
großartige Wirkung hervorbringen.«
    »Sicherlich, ich werde entrüstet sein und
vor Tugend triefen. Nun frage ich, können Tante und Nichte
einen Augenblick in der Wahl schwanken? Prosper ein Lump und
Habenichts, ich der Träger eines glänzenden Namens,
Millionär und Großindustrieller und ein so edler
Oheim, der dem bösen Neffen nicht nur verzeiht, sondern sogar
glänzend für ihn sorgt. Nun, was sagst du?«
    »Ich glaube, daß du den richtigen Weg
eingeschlagen hast.«
    »Ja, aber an dir ist es jetzt, weiter zu arbeiten, denn deine neue Rolle beginnt. Sobald
dir deine Frau Mama Mitteilung von meinen Vorschlägen gemacht
hat – du wirst das Gespräch geschickt zu lenken
wissen – also, sobald du erfährst, daß ich
für dich sorgen will, bist du entrüstet und
empört. Alle Entbehrungen der Welt, Not und Hunger willst du
lieber ertragen, als von einem Manne etwas anzunehmen, den du hassen
und verachten gelernt hast und so weiter, und so weiter.«
    »Sehr gut. In pathetischen Rollen bin ich immer
großartig – ich sollte eigentlich zum Theater
gehen.«
    »Schön, du bist pathetisch und
uneigennützig, aber das hindert dich nicht, plötzlich
wieder dein verschwenderisches Leben zu beginnen, du wettest, spielst,
verlierst und brauchst Geld und immer wieder Geld ...«
    »O, es widerstrebt mir ...«
    »Vergiß nicht, daß ich keine
Rechenschaft mehr über das verlange, was du erbeutest, alles
gehört dir.«
    »Ja, dann ist es etwas anderes.«
    »Nur verlange ich, daß es schnell geht, in
längstens drei bis vier Monaten muß alles, was Tante
und Nichte besitzen, in deine Hände übergegangen
sein, sie dürfen kein Geld, keinen Schmuck, nichts Wertvolles
mehr haben, müssen völlig ausgeplündert
sein.«
    Louis hatte diese Worte mit so viel Leidenschaft
hervorgestoßen, daß Raoul ihn überrascht und
verwundert ansah.
    »Sind dir denn die beiden unglücklichen
Geschöpfe so verhaßt?«
    »Verhaßt!« rief Louis, »du
weißt doch, daß ich Magda bis zur Raserei
liebe!«
    »Und da widerstrebt es dir nicht, ihr Kummer zu
bereiten?«
    »Es muß sein. Am Tage, an dem sie durch dich
an den Rand des Abgrundes gebracht worden, an diesem Tage

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