Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
habe, kurz darauf ermordet worden ist. Laut Jules hieß er Malik.“
„Aha, Lafitte hat ihn also gekannt. Was ich jedoch nicht verstehe, ist das Motiv des Mannes. Warum sollte er ausgerechnet Ihnen diese Beweise übergeben? Warum ist er damit nicht zu seinen eigenen Leuten gegangen?“, wandte Director Clayton ein. Seine Augen hinter der altmodischen Brille hatten sich verengt.
„Das habe ich ihn natürlich auch gefragt. Er behauptete, seine Leute wären primär nicht daran interessiert gewesen, die Beweise zu veröffentlichen. Stattdessen wollten sie sie nutzen, um die Amerikaner damit zu erpressen. Sie wollten Geld. Maliks Motive hingegen waren persönlicher Natur: Er wollte Rache.“
„Rache? Wofür?“
„Einer der toten Matrosen war sein Bruder. Von ihm hatte Malik die gestohlenen Unterlagen. Darum wollte er, dass ich sie veröffentliche.“
Der Director runzelte die Stirn. Offenbar behagte ihm die Version der Geschichte nicht. „Ist das nicht ein Zufall zu viel? Lafitte identifiziert Malik als Doppelagenten, dieser hat zufällig einen Bruder, der 2000 auf einem Schiff Dienst tut, auf dem er radioaktiv verseucht wird. Und kurz vor seinem Tod, zaubert er Beweise hervor, die er seinem Bruder überlässt, der damit schnurstracks zu Ihnen marschiert, um mit Ihrer Hilfe einen Sturm gegen den Westen loszutreten? Das riecht!“
Er schwieg kurz, um Rabea die Gelegenheit zu geben, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen und fuhr dann fort: „Haben Sie einmal in Erwägung gezogen, dass Malik Sie über seine Motive belogen haben könnte? Dass eine zweite unberechenbare Macht im Spiel ist, die uns Amerikanern an den Kragen will? Dass der politische Islam sie womöglich instrumentalisieren wollte? Wer würde sich besser dazu eignen, als die Journalistin Rabea Rosenthal, die es als bekennende Bush-Kritikerin immerhin bis ins amerikanischen Militärgefängnis geschafft hatte?“ Erneut machte er eine Pause. Rabea hatte sich unwillkürlich versteift. Ehrlich gestand sie sich ein, dass sie die Dinge bisher nicht aus dieser Perspektive betrachtet hatte. Warum hatte sie nie Maliks Motive in Frage gestellt? Ein unverzeihlicher Fehler!
„Was lag also näher als Sie zu benutzen, um der Welt zu beweisen, was die Welt sowieso immer argwöhnte: Dass Amerika im Bezug auf den Irak Dreck am Stecken hat. Ich sehe bereits den brüllenden Mob vor Augen, wie er die Fäuste reckt und unsere Fahnen verbrennt.“ Clayton sah Rabea eindringlich an. „In der derzeitigen Lage können Sie das nicht wollen. Damit verschärfen Sie auch Israels Lage. Sie fischen in dunklen Gewässern, Rotfuchs. Das sind gefährliche und kluge Leute, mit denen Sie sich da anlegen. Agitatoren gegen den Westen. Geben Sie es zu, man hat Sie hereingelegt. Sie waren derart von Ihrem eigenen journalistischen Spürsinn gefangen, dass es ihre Klugheit benebelt hat.“
Rabea sah ihn kleinlaut an. „Sie meinen also, dass die Beweise gefälscht sind?“
„Nein, im Gegenteil. Ich glaube sogar, dass sie sehr echt sind. Sonst hätte man sie Ihnen nicht zugespielt. Darum sind Sie überhaupt noch am Leben, Miss Kennedy. Sie waren für beide Seiten von großem Nutzen.“
„Ja. Vor allem bin ich dem Senator nützlich gewesen.“ Rabea ärgerte sich maßlos über sich selbst. Wie hatte sie nur so blind sein können?
„Nicht ärgern.“ Clayton hatte ein listiges Lächeln aufgesetzt. „Sehen Sie es so: Die ganze Sache hat etwas Gutes und entbehrt vor allem nicht einer gewissen Ironie. Aufgrund des Umstandes, dass beide Parteien sie manipuliert haben, sind sie sich auch schwer ins Gehege gekommen. Im Prinzip haben die sich gegenseitig manipuliert und sich damit quasi selbst ausgeknockt. Indem Whitewolf Sie an die DIA verraten hat, hat er verhindert, dass Sie eine Dummheit begehen und die Papiere veröffentlichen. Damit hat er im gleichen Zug die gegnerische Seite ausgespielt. Denn damit waren Maliks Leute ihre Beweise los, die ihm, Whitewolf, zum Verhängnis werden können.“
Jetzt lächelte auch Rabea. „Und wieder beißt sich die Schlange selbst in den Schwanz. Auch das Böse hat ein Eigenleben und folgt nicht immer dem Willen seines Schöpfers. Es frisst sich selbst.“
„Sie sagen es. Aber mehr auch nicht.“ Claytons Lächeln war versickert. Er sah sie streng an. „Ich werde niemals zulassen, dass auch nur ein Wort über unsere gemeinsamen Aktivitäten nach außen dringt. Hiermit verpasse ich Ihnen offiziell einen Maulkorb, Miss Kennedy. Wir kennen uns nicht, haben
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