Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
vermeiden, dann wäre das unbezahlbar. Und eben das soll die neueste Entwicklung eurer Hawk-Eye-Serie können. Wir beide wissen, Lukas, dass die Politiker aller Länder weniger die unschuldigen Toten fürchten als die schlechte Presse und den Hass, den sie ihnen einbringen. Es geht um technische Überlegenheit, um zielgenaue Liquidierung, gleich, ob es sich um einen gesuchten Terroristenführer oder um einen amerikanischen Präsidenten handelt.“ Jules hielt inne und trank einen Schluck Wasser.
„Ich höre dir noch immer zu“, sagte Lukas mit zusammengekniffenen Augen. Er wusste, dass sein Freund noch nicht am Ende seiner Ausführungen angelangt war.
„Die Entwicklung der neuen Wunderwaffe, um es mit der Durchhalteparole der Nazizeit zu sagen, wurde durch staatliche Zuschüsse gefördert. Das heißt, dein Vater hat Geld von eurer Regierung genommen. Aber so oder so hätte die Regierung bei der Herausgabe der Betriebssysteme ein Wörtchen mitzureden gehabt. Und wie heißt es so schön: Der Staat lässt sich nicht erpressen.“
„Willst du damit behaupten, unsere Regierung hätte meine Frau und meinen Sohn für irgendwelche Waffenpläne geopfert?“
„Ich würde es anders ausdrücken: Die Regierung hätte sicher alles daran gesetzt, dass deine Familie freikommt, aber sie hätten niemals zugelassen, dass dafür Betriebsgeheimnisse eingetauscht worden wären. Sie hätte sich hier auch dem Druck der Amerikaner beugen müssen. Allah sei Dank, dass wir uns nicht mit diesem Problem herumschlagen müssen“, ergänzte Jules nachdrücklich.
Während Lukas noch auf dem Gesagten herumkaute, brachte es Lucie auf den Punkt: „Heilige Scheiße! Das ist ja total verrückt, Jules, wirklich. Die Entführer wollen nicht das, was wir haben, nämlich Geld. Und sie wollen auch nicht, was wir vielleicht gehabt hätten, aber ihnen niemals hätten geben können. Dafür wollen sie etwas, dass wir überhaupt nicht haben. Das nenne ich ein Patt“, schloss sie ihre trockene Analyse ab. Sie griff nach dem türkischen Honig, den sie eigentlich als Mitbringsel für Matti gedacht hatte und steckte sich ein großes Stück davon in den Mund. Zeit für Nervennahrung.
„Was sollen wir jetzt tun? Die töten meine Frau und meinen Sohn, wenn sie die Dokumente nicht von mir bekommen. Und das wiederum ist unmöglich, denn die van Kampen hat sie uns gestohlen.“ Lukas war wütend aufgesprungen.
„Ruhig Blut, Lukas“, mahnte Jules. „Das bedeutet, dass wir 24 Stunden Zeit haben, um entweder Magali und Matti zu finden oder aber die geforderten Schriftrollen, um sie gegebenenfalls zurückzustehlen. Es ist jetzt 16:36 Uhr, der Countdown läuft. Wir sollten uns besser auf den Weg machen.“ Er stand auf.
„Was soll das, Jules? Wie stellst du dir das vor?“, fuhr Lukas ihn an. „Wir haben weder den geringsten Anhaltspunkt zum Aufenthaltsort meiner Familie, noch wissen wir, wo sich dieser Teufel von Frau mit den Schriftrollen versteckt hält. Sieh es ein, es ist aussichtslos.“
Jules fixierte seinen Freund. „Das ist das Problem mit euch Christen, Lukas“, meinte er laut. „Ihr gebt zu früh auf. Ihr predigt von Gottes Wille und versteckt euch hinter dem schönen Wort Schicksal. Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Schlappschwanz bist“, ergänzte Jules grob. Lucie blinzelte fasziniert.
Lukas suchte den Sinn hinter Jules' harschen Worten zu begreifen. Er fand seine Vermutung in dessen Augen bestätigt. Sein Freund setzte ihm absichtlich zu. Lukas straffte sich: „Also gut, Jules. Wie sieht dein Plan aus? Was schlägst du vor?“
Jules hatte im Stehen erneut seinen Laptop bearbeitet und drehte ihnen das Display zu.
Lukas blickte abwechselnd zwischen Jules und dem Bildschirm hin und her, doch die Buchstaben auf dem aufscheinenden Dokument schienen einen verschwommenen Tanz aufzuführen. Nichts davon konnte er entziffern.
„Das ist ein Protokoll der Polizei Nürnberg. Wurde eben erst online gestellt. Wie ich vermutet habe, war der Reinigungswagen gestohlen. Er wurde vor mehr als einer Stunde in einer Tiefgarage in der Nürnberger City aufgefunden. Und das Beste daran ist, dass es dort Überwachungskameras gibt.“ Jules setzte sich wieder, zog den Laptop erneut zu sich heran und öffnete eine weitere Maske.
„Ich habe deren System eben geknackt. Wir haben Glück, die Filme wurden digital abgespeichert. Sie haben eine wirklich tolle Technik, aber merkwürdigerweise eine sehr leicht zu überwindende Firewall. Wenn die Entführer
Weitere Kostenlose Bücher