Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
erreicht hatte.
„Ich bin mir nicht sicher. Das Einzige, was ich gefunden habe, ist ein spanischer Euro. Er klemmte zwischen den Sitzen. Mag sein, dass er da schon länger steckte, aber er hat mich auf etwas gebracht, das mich beschäftigt, seit ich die Filmaufnahmen in der Parkgarage gesehen habe. Ich vermute, dass man deine Familie außer Landes gebracht hat, Lukas. Da der Anrufer nicht an Lösegeld interessiert ist, sondern an Bentivoglios Dokumenten, und die Entführer scheinbar echte Profis, bin ich mir inzwischen fast sicher, dass es sich um eine Auftragsentführung handelt.“
„Eine Auftragsentführung? Bist du verrückt? Wir sind in Deutschland und nicht in Bagdad oder Kolumbien. Das würde ein Vermögen kosten.“
„Das ist der Punkt, Lukas. Geld spielt hier keine Rolle, sondern Interessen. Ich denke, hier kann oder will sich jemand die Finger nicht selbst schmutzig machen. Die professionelle Vorgehensweise spricht dafür. Da ist ein eingespieltes Team am Werk. Ich tippe auf ehemalige Elite-Soldaten, die sich jetzt als Söldner verdingen.“
Lukas war stehengeblieben. „Also gut, Jules. Klartext. Falls du damit Recht hast, was würde das für meine Familie bedeuten?“
„Es wäre sowohl gut als auch schlecht“, erwiderte Jules ehrlich. „Gut daran wäre, dass die Männer Magali und Matti nichts tun werden, solange ihr Auftraggeber bekommt, was er will, und sie ihr vereinbartes Honorar kassieren. Als Profis werden sie niemals ihre Masken abnehmen, oder sich mit Namen anreden. Das macht eine Identifizierung seitens deiner Frau unmöglich und dient der beidseitigen Sicherheit.“ Jules war weitergelaufen und Lukas musste ihm wohl oder übel folgen. „Und weiter?“, forderte er die schlechte Nachricht ein. Inzwischen hatten sie das Abflugterminal erreicht.
„Wenn es Profis sind, dann wird es kein Leichtes werden, sie unschädlich zu machen und Magali und Matti da herauszuholen. Wir werden Hilfe brauchen.“
„Vorausgesetzt, dass wir die zwei überhaupt rechtzeitig finden. Und falls deine Vermutung zutrifft, Jules, dass man sie sogar außer Landes geschafft haben könnte …“ Lukas ließ den Satz unvollendet.
Jules reagierte nicht darauf, er sah sich aufmerksam im Terminal und murmelte: „Ich sollte besser ...“
„Was?“
Doch Jules war auf und davon und Lukas blieb nichts anderes übrig, als ihm erneut hinterherzurennen.
Erstaunlicherweise steuerte Jules einen Nebentrakt an. Vor einer Tür mit dem Schild Service blieb er stehen. Sie war zwar verschlossen, doch in Sekundenschnelle hatte Jules das Hindernis überwunden, riss die Tür auf und schubste Lukas hinein. Er schloss die Tür hinter sich.
„Was soll das?“, fragte Lukas völlig außer Atem. Sie befanden sich in einer kaum einen Quadratmeter großen Kammer, umgeben von Regalen voller Putzmittel und Reinigungsgerätschaften, geisterhaft beleuchtet von einem Notlicht.
„Ich brauchte dringend einen ungestörten Platz zum Telefonieren. Bei den vielen Menschen in einem Flughafenterminal unmöglich, außerdem gibt es dort für meinen Geschmack zu viele Kameras.“ Während Jules sprach, hatte er bereits sein Mobiltelefon gezückt und eine Nummer eingetippt.
„Ich bin es noch einmal, Jules. Hast du einen vertrauenswürdigen Kontakt in der deutschen Flugsicherung?“
„Mal sehen. Was brauchst du?“
„Alle Flüge von Privatmaschinen vom Flughafen Nürnberg aus, sagen wir zwischen 13:45h und 15:00h. Frag nach, ob eine Maschine in der Luft plötzlich ihren offiziellen Flugplan geändert hat. Erkundige dich auch nach dem Namen des Piloten. Ruf mich sofort zurück.“
Die Flieger-Community war klein und in der Regel kannte man die Namen der Handvoll Piloten, die Geschäftsleute und VIPs zu ihren Terminen flogen.
Wenige Minuten später hatte Jules das Gewünschte: Von den fünf im genannten Zeitraum gestarteten Maschinen kam nur eine in Frage: Eine Gulfstream G650, die als Diplomatenflug nach Barcelona deklariert worden war. Der Name des Piloten, Jan Giep, wäre in der deutschen Fliegerszene unbekannt, meinte Jules anschließend. Trotzdem sagte der Name Lukas etwas. Dann fiel es ihm ein: Der Holländer Jan Giep hatte damals Anne Frank versteckt, bis ein holländischer Polizist sie an die Nazis verraten hatte. Er teilte dies seinem Freund mit. Jules meinte darauf, dass er sowieso davon ausgegangen war, dass der Name gefälscht sei.
Außer der vom Piloten genannten Passagieranzahl von sechs Personen lagen keine weiteren
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