Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
Lukas ein Zeichen, noch kurz zu warten. Ein letztes Mal überprüfte er die Einstellungen seiner Geräte und des Computers. Dann erst nickte er seinem Freund zu, der vor Aufregung zitterte. Sein Adamsapfel zuckte, als er nach dem vierten Klingeln abnahm.
„Lukas von Stetten.“ Lukas bemühte sich, gefasst und ruhig zu klingen.
Die Person am anderen Ende der Leitung war nicht der Entführer, sondern … seine Mutter. Ihr Timing war schon immer perfekt gewesen. Erst gestern war er mit seiner Familie zum Essen in der Villa gewesen. Lukas überlegte fieberhaft, wie er seine empfindliche Mutter auf sanfte Art loswerden konnte, als Evelyn von Stetten bereits nach seiner Frau fragte: „Gibst du mir bitte Magali, Lukas? Ich habe die Telefonnummer von dem Clown gefunden, du weißt schon, für Mattis Geburtstagsfest. Übrigens, du klingst etwas heiser, mein Junge. Du wirst dir doch nicht einen von diesen lästigen Frühlingsschnupfen eingefangen haben? Ich werde Magali sagen, sie soll dir einen Tee kochen.“ Noch während sie sprach, ertönte das Anklopfen eines weiteren Anrufs in der Leitung.
„Entschuldige Mutter, keine Zeit. Da kommt gerade ein wichtiger Anruf. Magali meldet sich später bei dir“, rief er und warf seine Mutter damit zum ersten Mal in seinem Leben aus der Leitung. Er nahm das zweite Gespräch an. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals und er brachte diesmal kaum seinen Namen vollständig heraus. Es war der Anruf der Entführer.
„Sie haben meinen Anruf bereits erwartet?“, sagte eine elektronisch verzerrte Stimme.
„Ich will wissen, wie es meiner Frau und meinem Sohn geht.“ Absichtlich übersah Lukas Jules' warnendes Zeichen, Ruhe zu bewahren.
„Den beiden geht es bestens. Sie genießen meine Gastfreundschaft. Lassen Sie mich zum Grund meines Anrufes kommen. Vor knapp zwei Jahren sind Ihnen in Rom einige unangenehme Dinge zugestoßen. Der bedauerliche Tod Ihrer Freundin und Ihres …“
„Was wollen Sie?“, fiel ihm Lukas ins Wort. Seine Gesichtsfarbe war bei der Erwähnung der Morde nochmals um einen Tick blasser geworden. Er hatte die Anspielung als das verstanden, was sie war: eine Warnung.
„Unterbrechen Sie mich noch einmal und ich werde auflegen“, erwiderte die Stimme kalt und fuhr fort: „Es ist an der Zeit, die Sache zu Ende zu bringen. Sie besitzen etwas, das wir gerne haben möchten, von Stetten. Sie werden uns daher die Dokumente übergeben, die Ihnen der verblichene Pater General Ignazio Bentivoglio anvertraut hat. Im Gegenzug erhalten Sie Ihre Frau und Ihren Sohn unversehrt zurück. Ihre Entscheidung.“
Die Forderung des Entführers löste bei Lukas hilflose Fassungslosigkeit aus. Wollte dieser Albtraum, der mit der Ermordung seines Onkels seinen Anfang genommen hatte, denn niemals enden? Woher wusste der Anrufer, dass er im Besitz dieser verhängnisvollen Dokumente gewesen war? Nur sehr wenige Personen hatten überhaupt von deren Existenz gewusst und fast alle hatten dieses Wissen mit ihrem Leben bezahlt.
Lukas war überzeugt, dass die Dokumente im Laufe der Ereignisse von der Drahtzieherin der Morde, der holländischen Sammlerin Carlotta van Kampen, gestohlen worden waren. Sie selbst hatte damals fliehen und sich bis heute erfolgreich den Behörden entziehen können.
Das Letzte, was er vor Monaten über sie gehört hatte, war, dass Interpol sie irgendwo in Südafrika vermutete, wo das Unternehmen, welches sie von ihrem Mann Jaap Leysieffer geerbt hatte, mehrere ergiebige Diamantenminen besaß.
„Wir sind nicht an Geld interessiert“, sagte die Stimme. „Wir wollen nur die Dokumente. Sie haben vierundzwanzig Stunden. Dann melden wir uns wieder.“
„Halt, warten Sie“, rief Lukas in panischer Angst, dass der Anrufer auflegen könnte, bevor er nochmals ein Lebenszeichen von seiner Frau hatte verlangen können. Doch genau das hatte der Mann getan. Aus dem Hörer tönte das Freizeichen.
„Aber ich wollte doch mit Magali sprechen“, stammelte Lukas und starrte auf das Telefon in seiner Hand. Er hielt es so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Lucie beugte sich langsam zu ihm hinüber, löste seine Finger und entwand ihm den Apparat mit sanftem Nachdruck.
„Und? War das lange genug, Jules? Konntest du den Anruf orten?“, erkundigte sie sich.
Jules bearbeitete seinen Laptop. Jetzt schüttelte er den Kopf. „Nichts, die Verbindung kam über so viele Relaisstationen herein, dass es nicht einmal zu schaffen gewesen wäre, wenn der Mann den
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