Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
Jules in München zu erreichen. In seinem Geschäft wissen sie nicht Bescheid, wo er ist, nur, dass er sich für zwei Tage abgemeldet hat. Sein Handy ist auch abgeschaltet. Deshalb wollte ich Lukas fragen, ob er vielleicht noch eine weitere Telefonnummer von ihm hat, oder wie ich ihn sonst erreichen könnte.“
„Du hast versucht, Jules zu erreichen? Was willst du denn von ihm? Brauchst du seine Hilfe? Ist etwas passiert?“, entfuhr es Lucie schneller, als sie denken konnte. Ihr Instinkt hatte sie also nicht getrogen. Da war etwas im Busch.
„Nein, nein, alles ausgezeichnet, ausgezeichnet“, antwortete etwas zu hastig, um glaubwürdig zu klingen. „Ich wollte ihn nur kurz etwas fragen, aber wenn ich darüber nachdenke, nein, eigentlich ist es gar nicht so wichtig. Ich danke dir, Lucie. Oh, da fällt mir ein … Bitte verzeih dem Gedächtnis eines alten Mannes. Du warst ja lange im Ausland und ich habe gar nicht gefragt, wie es dir geht, Kind.“
„Mir geht es gut. Aber ist wirklich alles mit dir in Ordnung?“ Lucie fand den alten Rabbi reichlich konfus. Er druckste sonst niemals am Telefon herum. Er hörte sich an, als hätte er Sorgen. Aber seit wann wandte er sich mit seinen Sorgen an Jules?
„Nein, nein, alles gut, alles gut. Bis dann, Lucie Kind. Shalom.“
„Warte, nicht auflegen. Worüber wolltest du so dringend mit Jules sprechen? Ist wirklich alles Shalom? Kann ich etwas für dich tun?“ Tatsächlich wäre dies das kürzeste Telefonat gewesen, dass sie je miteinander geführt hätten.
„Du hast Recht, ich muss dir reichlich unhöflich vorkommen, Lucie Kind. Entschuldige.“ Der alte Rabbi verstummte erneut und Lucie stand bereits im Begriff, ihn nochmals zum Sprechen zu ermuntern, als er von sich aus weitersprach:
„Ich weiß nicht so recht, wie ich es ausdrücken soll, Kind. Vielleicht liegt es ja an meinem Alter und ich fange an, mir Dinge einzubilden.“ Er räusperte sich geräuschvoll. Falls er Lucie damit auf die Folter spannen wollte, dann hatte er sein Ziel erreicht.
„In Gottes Namen, was ist denn bloß los? Sag es mir, bitte.“ Langsam bekam es Lucie mit der Angst zu tun, dass heute noch eine weitere, schlimme Nachricht auf sie wartete.
„Nun, nun, du weißt ja, dass ich wegen meines Beins mein Haus nur noch selten verlasse, Lucie. Aber gestern, da ließ ich mich von meinem Nachfolger in der Gemeinde überreden, seine Familie zu besuchen. Sie haben Nachwuchs bekommen. Entzückend, wirklich. Als ich dann später in mein Haus zurückkehrte, nun, da hatte ich plötzlich so ein merkwürdiges Gefühl, als wäre in der Zwischenzeit jemand da gewesen. Ich habe natürlich überall nachgesehen, aber da war niemand. Trotzdem, dieses fremde Gefühl war überall.“
„Du meinst, es könnten Einbrecher bei dir im Haus gewesen sein? Fehlt denn etwas?“
„Nein, nichts. Ach, ich weiß nicht. Ich sagte ja, es würde sich komisch anhören. Darum wollte ich gerne mit Jules sprechen, was er davon hält.“ Er hielt inne und Lucie hatte den Eindruck, als bedauerte er, zu viel gesagt zu haben. „Ach, vermutlich habe ich mir das alles nur eingebildet“, lenkte er jetzt ein. „Es tut mir leid, Lucie Kind. Ich hätte dich nicht damit belästigen sollen.“
Lucies Sinne standen längst auf Alarm. Ihre feinen Antennen hatten bei dem alten Rabbi etwas aufgefangen, was über eine einfache Verwirrung hinausging. Hatte er etwa Angst? Aber wovor? „Ich habe eine Idee, Großvater Rosenthal. Warum kommst du nicht zu mir? Ich kann hier nicht weg, weil ich Lukas versprochen habe, bei den Hunden zu bleiben. Aber du könntest dir ein Taxi rufen, wir trinken Tee und halten einen gemütlichen Plausch. Ich habe sogar Apfelkuchen hier, wie in alten Zeiten. Was sagst du?“
Lucie hatte einen Einwand erwartet, doch zu ihrem Erstaunen stimmte Rabeas Großvater ihrem Vorschlag sofort zu. Er musste sich wirklich sehr unwohl in seinem Haus fühlen, was Lucies Beunruhigung wiederum noch mehr steigerte.
Kaum hatte Lucie den Hörer aufgelegt, durchfuhr es sie wie ein Blitz. Warum war ihr die Parallele nicht sofort aufgefallen? Die Sorge um Magali und Matti musste ihr Denken beeinträchtigt haben! Erst vor zwei Tagen hatte sie ein ganz ähnliches Telefonat geführt! Hingen die beiden Vorkommnisse etwa zusammen? Wenn ja, ergaben sie trotzdem keinen Sinn. Plötzlich fiel ihr die arme Frau Gabler ein. Hatte ihre langjährige Haushälterin nicht auch Einbrecher überrascht? Auch im Hause von Stetten war nichts
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