Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
Gebüsch. Er entdeckte Jules, der ihn näher heranwinkte.
„Was jetzt?“, flüsterte er.
„Am besten, du steuerst auf die Terrasse zu, verteilst dort ein paar Rosenstöcke und versuchst, einen Blick in das Haus zu werfen. Irgendwo muss die van Kampen ja sein.“
„Und dann? Was ist, wenn sie die Dokumente gar nicht hat? Dann ist dein ganzer schöner Plan hinfällig.“ Lukas hatte plötzlich Zweifel. Oder Angst. Oder beides.
„Du denkst zu viel nach, Lukas. Vertrau mir. Eines nach dem anderen.“ Jules klang, als würde er trotz der Anspannung grinsen.
Lukas wollte etwas erwidern, als ihn das heisere Bellen eines Hundes ablenkte. Es kam aus dem hinteren Teil des Gartens. Ein Weg durch kunstvoll zugeschnittene Buchsbaumhecken führte dort zu einem kleinen Zierteich mit einem Holzsteg. Ein Golden-Retriever-Welpe tauchte jetzt am anderen Ende auf und hielt genau auf das Zypressenwäldchen zu, in dem sich Jules und Kaschinski verschanzt hatten. Die beiden Männer hatten ihn ebenfalls bemerkt.
„Verflixt, Lukas. Du musst das Tier weglocken.“
Aber Lukas rührte sich nicht. Er schien wie erstarrt und sah gebannt auf den Holzsteg, auf dem jetzt ein kleiner Junge aufgetaucht war und dem Welpen hinterherlief. Für einen Augenblick hielt er es für ein Trugbild, etwas, was ihm sein Unterbewusstsein vorgaukelte, weil er es sich so sehr wünschte. Doch der kleine Junge rief jetzt nach dem Hund. Seine helle Stimme weckte Lukas aus seiner Erstarrung. Das war sein Sohn! „Matti“, rief er und wollte blindlings auf ihn zustürzen, als ihn ein kräftiger Arm hinter die Bäume riss.
„Schhh, Lukas. Ich weiß, es ist verdammt hart, aber du musst dich jetzt unbedingt zusammenreißen und Ruhe bewahren“, flüsterte Jules, lockerte aber seinen Griff dabei nicht.
„Bist du verrückt? Das ist Matti.“ Lukas versuchte sich loszureißen.
„Das sehe ich selbst.“
Der Welpe war ihnen nun gefährlich nahe gekommen und schnüffelte an einem Baum. Plötzlich rief eine Frauenstimme energisch nach Matti.
„Was machst du denn dort, Matti? Komm jetzt, es ist Zeit fürs Bett. Du darfst Pepe mitnehmen.“ Es war Magali, aber eine völlig fremde Magali. Wäre ihre Stimme nicht gewesen, Lukas hätte sie kaum wiedererkannt.
Magali war immer eine natürliche und ungezwungene Frau gewesen, die sich selten schminkte und bequeme Kleidung bevorzugte. Am liebsten trug sie Jeans und T-Shirt, wie auch am Morgen im Park. Jetzt, zwölf Stunden später, war sie perfekt geschminkt, ihre blonden Haare waren kunstvoll hochgesteckt und sie trug ein malvenfarbenes Cocktailkleid aus Seide. Um ihren Hals funkelte ein Diamantencollier. Barfuß kam sie den Weg entlanggeschlendert, an ihrer Hand baumelten ein Paar silberne Sandaletten. Sie sah wunderschön aus.
Lukas kannte spätestens jetzt kein Halten mehr, doch abermals hielt ihn Jules mit eiserner Hand fest und drückte ihn nieder.
„Übernehmen Sie ihn, Kaschinski. Ich muss kurz mit der Frau sprechen.“
Jules kroch langsam nach vorne. Magali mühte sich, den kleinen Welpen einzufangen, der ständig zwischen ihren Beinen herumsprang und nach den baumelnden Sandaletten in ihrer Hand schnappte. Matti stand einige Meter weiter entfernt und amüsierte sich köstlich über die Bemühungen seiner Mutter. „Magali. Ich bin es, Jules“, rief er leise nach ihr. Die junge Frau zuckte kurz zusammen, dann hob sie den Kopf und suchte mit den Augen das Gebüsch ab.
„Lass dir nichts anmerken. Besser, Matti weiß nicht, dass ich hier bin. Bei euch alles in Ordnung?“, raunte er.
„Ja“, flüsterte sie zurück und tat weiter so, als versuchte sie, den Hund einzufangen. „Ist Lukas auch hier?“
„Nein“, log Jules. Hinter ihm bäumte sich Lukas auf, aber Kaschinski hielt ihn unerbittlich im Klammergriff gefangen, eine Hand auf seinen Mund gepresst.
„Gut. Sag ihm, Matti und ich sind nicht in Gefahr. Ich kann das hier alleine regeln. Lukas darf auf gar keinen Fall hierherkommen oder Kontakt mit der van Kampen aufnehmen. Das ist sehr wichtig, hörst du? Sag ihm, dass wir bald nach Hause zurückkommen und ich ihm dann alles erklären werde. Ich ...“
„Magali, wo bleibst du denn so lange? Die ersten Gäste treffen bald ein.“
Die Stimme löste bei Lukas einen Schock aus. Er hatte die verhasste Holländerin sofort erkannt. Ein Knurren entrang sich seiner Kehle und erneut bäumte er sich in Kaschinskis Umklammerung auf. Der Söldner drückte noch ein wenig fester zu und hoffte, dass er den
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