Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
um, und dann machen wir einen Abendspaziergang mit den Hunden. Was sagst du?“
„Dass dies eine gute Idee ist. Wie sagt der Doktor immer zu mir? Josef, je weniger du läufst, umso lahmer wird dein Bein. Das ist wie mit dem Geist, Lucie: Je weniger wir ihn beanspruchen, umso träger wird er. Gehen wir also ein Stückchen.“
Seine tiefe Sorge nahm er mit. Er musste abwarten, bis er Jules erreicht hatte.
Kapitel 8
London, England
Jemand hielt sie im Nacken gepackt und presste ihren Kopf in eine Schüssel mit eisigem Wasser. Sie strampelte und schnappte vergeblich nach Luft. Das Wasser brannte in ihren Augen und der Kehle. Sie konnte nicht mehr atmen, sie erstickte…
Der scharfe Geruch eines Desinfektionsmittels holte sie aus ihrem Albtraum. Ihre Augen brannten, als hätte ihr jemand Essig hineingeträufelt. Was war mit ihr geschehen? Sie konnte sich an nichts erinnern. Ihr Verstand schien wie leergefegt - als hätte ein apokalyptischer Besen darin gewütet. Jeder Gedanke, jede mögliche Erinnerung entglitt ihr bereits im Ansatz.
Sie lag auf einer harten Unterlage, ihr Körper fühlte sich vollkommen steif an. Sie versuchte den Kopf zu bewegen, was ziemlich schmerzhaft war. Dann ihre Arme und Beine. Immerhin war sie nicht gefesselt oder fixiert worden. Sie öffnete langsam ihre Lider und blinzelte. Das Brennen in ihren Augen ließ etwas nach.
Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an das grelle Neonlicht gewöhnt hatten. Vorsichtig sah sie sich um. Sie befand sich in einem vom Boden bis zur Decke weiß gefliesten Raum, dessen einzige Möblierung aus einem fest montierten Bett und einem Nachttisch bestand.
Wie in einer Leichenhalle, dachte sie.Der Gedanke ließ sie frösteln. War sie in einem Krankenhaus? Hatte sie einen Unfall gehabt, an den sie sich nicht erinnern konnte? Was war mit ihren Erinnerungen, ihren Gedanken? Ihr Verstand war wie paralysiert. Wenn dies hier ein Krankenhaus war, wo waren die Schwestern, der Arzt, die Geräte? Sie musste unbedingt mit jemandem sprechen.
Auf dem Nachttisch entdeckte sie eine Flasche Wasser. Ihre Arme fühlten sich schwer an, als sie danach griff. Sie trank im Liegen, die Flasche mit beiden Händen umklammernd.
Danach setzte sie sich vorsichtig auf und sah sich gründlich um. Ihr Blick erfasste nun eine Tür an der gegenüberliegenden Wand. Sie war weiß wie alles andere in ihrer Umgebung und nicht gleich erkennbar gewesen. Sie schob die dünne Decke von sich und versuchte aufzustehen. Die Bewegung brachte sie an den Rand der Erschöpfung.
Sie blickte an sich herab und stellte fest, dass sie lediglich ein grünes, am Rücken offenes Krankenhaushemd und einen Slip trug. Sie schlang das Hemd eng um sich und band die Schnüre fest um ihre Taille. So fühlte sie sich weniger nackt. An ihrem linken Handgelenk entdeckte sie ein weißes, unbeschriftetes Plastikarmband.
Immerhin hatte sie an ihrem Körper keinen Verband entdecken können. Sie schien unversehrt zu sein. Warum fühlte sie sich dann derart schwach? Sie versuchte nochmals aufzustehen und sofort explodierten Lichtblitze vor ihren Augen. Nur langsam ließ das Schwindelgefühl nach. Doch die Schwäche in ihren Gliedern blieb. Sie ließ sich nochmals kurz zurücksinken, nur noch einige Minuten, sagte sie sich. Aber kaum, dass sie ihre Augen geschlossen hatte, war sie schon eingeschlafen.
Als sie das nächste Mal erwachte, waren ihre Glieder immer noch steif, aber ihr Kopf fühlte sich besser an und das Brennen in ihren Augen hatte nachgelassen. Ihr Blick streifte den Nachttisch. Jemand hatte ihr eine frische Flasche Wasser hingestellt. Sie schwang ihre Beine aus dem Bett, was ihr diesmal beinahe mühelos gelang. Durstig griff sie nach dem Wasser. In diesem Augenblick setzte ihre Erinnerung ein.
Die Flasche entglitt ihren Fingern und prallte auf den Fliesen auf. Das Plastik zerplatzte und Wasser spritzte in alle Richtungen.
Von namenlosem Entsetzen erfüllt, starrte die junge Frau auf den blassen See zu ihren Füßen.
Nur durch eine Wand von ihr getrennt sah ein Mann zufrieden von seinem Bildschirm auf. Er drückte auf einen Knopf und sprach in den Apparat: „Sie ist wach. Sie gehört euch.“
So wie sie war, in Slip und Krankenhaushemd, holte man sie kurz darauf ab. Man gab ihr ein Paar Filzpantoffel und verabreichte ihr eine Spritze.
Sie wurde in einen Raum gebracht, der in kaltes Neonlicht getaucht war. Darin standen zwei Plastikstühle und ein Tisch aus poliertem Stahl.
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