Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
neben ihm versteift hatte. Scheiße, dachte Jules. Merde, merde, merde …
„Ich will ja nicht unken ... aber sind Sie sich sicher, Lafitte, dass diese Frau ein Entführungsopfer ist? Mir sieht es eher danach aus, als ob die zwei Frauen hier einträchtig die Gastgeber spielen würden“, kommentierte Kaschinski.
Danke, Kaschinski. Jules sandte ihm einen tödlichen Blick. „Hör nicht auf ihn, Lukas“, versuchte er Kaschinskis Bemerkung zu relativieren. „Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass es für alles im Leben eine Erklärung gibt.“ Doch er hätte genauso gut mit der Pinie neben ihm sprechen können.
Lukas war einige Schritte zurückgestolpert und hatte sich von der für ihn unfassbaren Szenerie auf der Terrasse abgewandt. „Natürlich gibt es für alles eine Erklärung, Jules“, erwiderte er seltsam heiser. „Die Frage ist nur, ob sie gut oder schlecht ist. Ich habe Augen im Kopf. Magali ist eine Betrügerin. Das ist die Erklärung.“ Der Schock saß tief und zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Lukas konnte Magalis Betrug nicht begreifen. Alles, was er denken konnte, war, dass seine Frau Matti der van Kampen ausgeliefert hatte! Ein bitterer Geschmack füllte seinen Mund und er wünschte sich, er könnte hier sitzenbleiben, bis er zerfiel wie die Blätter im Herbst. Staub, der zu Staub wurde. Doch plötzlich nahm er etwas im Augenwinkel wahr, das sein Blut im Bruchteil einer Sekunde zu Eis gefrieren ließ. Das Entsetzen pumpte Adrenalin in seine Adern. Er sprang auf.
Er sah den Kellner, der ihnen bereits zuvor gefährlich nahe gekommen war, wie er Jules eine Waffe mit Schalldämpfer in den Rücken drückte, während ein zweiter Mann Kaschinski in Schach hielt. Mit einer Kopfbewegung scheuchte er ihn vor sich her. Sie näherten sich Lukas.
Lukas sah es in Jules' Augen aufblitzen, er plante bereits etwas. Es lag etwas Tröstliches für Lukas darin, dass sein Freund niemals bereit war, aufzugeben. Er selbst spannte alle Muskeln an.
Dann geschah das Unfassbare. Der Mann hinter Jules schoss ihm ohne Vorwarnung in den Rücken. Er drückte einfach ab. Lukas sah, wie sein Freund unendlich langsam nach vorne auf die Knie fiel und dann seitlich wegkippte.
Sie haben Jules getötet. Mein Gott, sie haben Jules getötet!
Es war sein letzter Gedanke, bevor ihn ein heftiger Schlag gegen den Kopf traf. Er verlor das Bewusstsein.
Kapitel 7
Nürnberg, Deutschland
In dem kleinen Reihenhaus in Nürnberg klingelte das Telefon. Lucie und die beiden Hunde, die es sich mit ihr auf der Couch unerlaubterweise gemütlich gemacht hatten, sprangen auf.
„Hallo“, rief Lucie atemlos in den Hörer.
„Shalom. Wer ist da, bitte?“
„Großvater Rosenthal, bist du das?“
„Lucie?“
„Ja. Ich bin hier bei Lukas zu Besuch, aber er ist nicht da.“
„Oh, wie schade.“ Der alte Mann klang wirklich enttäuscht. Er war Rabeas Großvater. Nach dem frühen Tod seiner Tochter und seines Schwiegersohns bei einem Bombenanschlag in Jerusalem war seine einzige Enkelin in seinem Haus aufgewachsen. Er war längst Witwer, Verwandte hatte er keine mehr, allerdings hielt er engen Kontakt zu den Zwillingen Lucie und Lukas, die mit Rabea die gleiche Schule besucht hatten.
Die drei Kinder waren seit der Grundschule so enge Freunde, dass man Rabea irgendwann als dritten Zwilling bezeichnet hatte. Über seine Enkelin hatte er auch Jules Lafitte kennengelernt. Sie hatte ihm den ehemaligen Agenten vor einigen Jahren bei einem Besuch in Nürnberg vorgestellt.
„Kann ich dir vielleicht helfen, Großvater Rosenthal?“, bot Lucie ihm nun an.
„Hm, hm …“ Eine Pause entstand.
Lucie wunderte sich über den alten Rabbi. Er klang anders als sonst. Es beunruhigte sie. Dabei hatte er sich nach dem tragischen Tod seiner Enkeltochter wieder einigermaßen erholt. In den ersten Wochen nach Rabeas gewaltsamem Tod hatte es fast so ausgesehen, als würde er ihr bald nachfolgen.
Da am anderen Ende der Leitung weiter Stille herrschte, beschloss Lucie, das Heft in die Hand zu nehmen: „Ist irgendetwas passiert, Großvater Rosenthal? Vielleicht kann ich dir ja doch weiterhelfen?“
„Wann kommt Lukas denn wieder?“, lautete die Gegenfrage.
Nun war Lucie an der Reihe, herumzudrucksen. „Das kann noch eine ganze Weile dauern ...“ Was ja nicht gelogen war.
Der alte Rabbi zögerte, er schien mich sich zu ringen. Schließlich seufzte er vernehmlich. „Also gut, Lucie. Es ist so: Ich versuche seit Stunden unseren Freund
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