Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
Ängste, ihre Kameradschaft und ihre rauen Witze geteilt. Trotzdem zuckte sie jetzt mit den Achseln. „Es ist Krieg, die Männer sterben. Vielleicht hättet ihr euch das vor dem Einmarsch überlegen sollen.“
McKenzie spielte seinen Trumpf aus: „Die Acht sind nicht bei einem feindlichen Gefecht getötet worden, Rabea, sondern sie wurden systematisch liquidiert. Wir vermuten einen der beiden flüchtigen Soldaten als Täter.“
Rabea sah ihn scharf an: „Einer der beiden ist dabei, alle übrigen Teilnehmer des Suchtrupps zu töten?“ Sie überlegte nur kurz. „Scheiße, Sie glauben, dass ein Zusammenhang mit dem Mord an Linda Farraday besteht?“
Ryan nickte: „Ja, der Mord an der Journalistin hat uns erst darauf gebracht. Zunächst fiel der Zusammenhang nicht auf, weil alle zehn Soldaten inzwischen in anderen Einheiten dienten. Alle wurden sofort versetzt, nachdem Sie die Truppe verlassen hatten. Als hätte man die Männer absichtlich getrennt.“
„Wer sind die beiden Flüchtigen?“
„Private First Class William Hunter und Specialist Uriah Lightfood.“
„Lightfood ist ihr Mann“, sagte Rabea wie aus der Pistole geschossen.
Ryans Augenbrauen fuhren leicht nach oben. Die Army-Profiler waren zum selben Ergebnis gekommen. „Was macht Sie da so sicher?“
„Weil ich mit den Männern mehrere Wochen auf engstem Raum und unter extremen Bedingungen verbracht habe. Dabei habe ich Billie Hunters Fähigkeiten schätzengelernt. Er ist das, was man einen Kümmerer nennt. Als unser Sanitäter von einer Kamelspinne gebissen wurde und er sich drei Tage die Seele aus dem Leib gekotzt hat, hat er ihm die Schüssel gehalten. Lightfood ist ein anderes Kaliber. Er verachtet Schwäche. Er ist Ihr Mann. Konzentrieren Sie ihre Suche auf ihn.“
Ryan nickte und blätterte wieder in seiner Akte.
Unterdessen fragte sich Rabea, warum Ryan ihr das alles erzählt, ihr sogar die Namen der gesuchten Soldaten preisgegeben hatte. Ihr war völlig klar, dass diese Informationen der absoluten Geheimhaltung unterlagen. Erneut warf es für sie die Frage auf, ob es sich um einen Trick handelte, um sich ihr Vertrauen und somit ihre Kooperation zu erschleichen.
Mit der Military Intelligence DIA hatte sie in Bagdad schon mehr Bekanntschaft gemacht, als ihr lieb war. Die Männer hatten sie wochenlang verhört und einzuschüchtern versucht. Sie hatte ihnen die überforderte junge TV-Reporterin vorgespielt, die in einer Stresssituation überreagiert hatte. Schon damals hatte sie sich gewundert, warum niemand von ihrem Gastspiel bei den Soldaten erfahren hatte. Eigentlich wäre anzunehmen gewesen, dass die Agenten, die sie verhört hatten, Nachforschungen über sie angestellt hatten. Dann hätte ihnen eigentlich auffallen müssen, dass sie für vier Wochen von der Bildfläche verschwunden gewesen war.
Je länger sie darüber nachdachte, umso merkwürdiger fand sie diese Tatsache. Sie würde sich später genauer damit befassen. Zunächst wollte sie sich auf das Verhör konzentrieren, das ihr immer weniger wie ein Verhör vorkam, eher wie ein Austausch von Informationen. Auch das war merkwürdig. Die Puzzlestücke drifteten stetig weiter auseinander und warfen immer neue Fragen auf.
Rabea erinnerte sich ungern an die rauen Verhöre im amerikanischen Militärgefängnis - die vermutlich noch rauer ausgefallen wären, wenn sich der Leiter des Militärgefängnisses nicht für sie eingesetzt hätte. Patrick hatte einiges für sie riskiert. Plötzlich zerriss ein Schleier vor ihren Augen und sie wusste plötzlich, an wen Ryan sie die ganze Zeit erinnert hatte.
Ohne darüber nachzudenken, platzte sie damit heraus: „Verdammte Scheiße! Sie sind Patricks jüngerer Bruder!“ Ryans Bruder war einen Tag vor ihrer Ausweisung aus dem Irak durch die Autobombe eines Selbstmordattentäters gezielt getötet worden.
Ryan antwortete nicht, doch seine Miene verriet ihr, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
„Eigentlich überlege ich schon eine Weile, woher ich Sie kenne. Sie ähneln Ihrem Bruder. Patrick hat mir viel von Ihnen erzählt. Familie wird einem im Krieg immer besonders wichtig, das wissen Sie sicher selbst.“ Rabea betrachtete ihn traurig.
Patrick hatte davon gesprochen, dass er sie eines Tages seiner Familie vorstellen würde, die nur noch aus seiner Mutter Gretel und seinem Bruder Ryan bestand. Patrick war ein durch und durch redlicher Mann gewesen und er hatte Rabea vom ersten Tag an geliebt. Seit ihrer Jugendliebe Lukas war er der
Weitere Kostenlose Bücher