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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Welt, am Rande der Zivilisation. Ja, so kam es ihm wirklich manchmal vor, und das nicht nur, wenn sie hier von ihren Wäldern sprachen, den Wäldern da draußen, die angeblich bis weit nach Russland hineinreichten.
    Es wurde langsam Zeit, wieder zu verschwinden. Er musste Böhms Aufgabenkatalog abarbeiten, so schnell wie möglich, und zusehen, dass er den nächsten Zug zurück nach Berlin nahm!
    44
    D ie Kreisbücherei des Landkreises Oletzko belegte zwei Räume im Landratsamt, einen größeren, in dem die Bücherregale standen, und einen kleineren, in dem eine Frau von vielleicht vierzig Jahren hinter einem Schreibtisch hockte. Sie sah so aus, wie Rath sich eine Bibliothekarin in der tiefsten Provinz auch vorgestellt hätte: Sie trug eine Brille, ihre Lieblingsfarbe schien grau zu sein, der Kleidung nach zu urteilen, und als sie ihren Kopf kurz zur Seite drehte, konnte Rath erkennen, dass sogar ihr streng nach hinten gekämmtes, dunkelblondes Haar in einem altjüngferlichen Dutt gebündelt war. Ihr Büro hatte keinen Seeblick, hinter dem Fenster waren nur die Fassaden zweier großer Mietshäuser zu sehen, klobige Klötze am Seeufer, direkt neben dem Landratsamt.
    Die Blechmarke der Berliner Kriminalpolizei versetzte sie in hektische Betriebsamkeit.
    »Also, die Bücher … Es ist ja gar nicht sicher, ob Artur sie genommen hat …«
    »Davon gehe ich aber aus«, sagte Rath. »Und wenn es Sie beruhigt: Ich habe nicht vor, Artur Radlewski wegen Diebstahls zu belangen. Und mich interessiert auch nicht, warum Sie diese Vorfälle niemals zur Anzeige gebracht haben. Ich möchte einfach wissen, was er so gelesen hat, in der letzten Zeit.«
    Sie zuckte die Achseln. »Nun … gar nichts. In der letzten Zeit gar nichts.«
    »Was heißt das?«
    »Dass er … Dass seit einem halben Jahr ungefähr keine Bücher mehr … fehlen.«
    »Seit Dezember einunddreißig?«
    Die Bibliothekarin nickte.
    Das passte zur Aussage des alten Adamek. »Kommt so etwas öfter vor?«, fragte Rath.
    »Ich arbeite seit über zwölf Jahren hier, seitdem war er … ist das nur zweimal passiert. Und jedes Mal waren alle Bücher wieder da, die er … die zwischenzeitlich gefehlt haben.«
    »Sie haben sich also keine Sorgen gemacht, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte.«
    Sie schüttelte treuherzig ihren Kopf und wurde prompt rot, als ihr aufging, wie verräterisch dieses Kopfschütteln war.
    »Und zuletzt … ich meine: letzten Dezember, da hat er auch alles wieder zurückgegeben.«
    Sie nickte.
    »Sie haben mir sehr geholfen, Fräulein Cofalka.« Rath lächelte und reichte ihr seine Karte. »Ich wohne im Salzburger Hof. Sagen Sie mir doch bitte Bescheid, wenn wieder Bücher fehlen. Umgehend. Sollte Herr Radlewski in der Gegend sein, muss ich es wissen.«
    Sie nahm die Karte und nickte noch einmal.
    »Er hat nichts verbrochen, glauben Sie mir, Herr Kommissar. Artur ist ein guter Mensch.«
    »Sie kennen ihn, nicht wahr?«
    Sie senkte schamhaft ihren Kopf, als habe er ihr tiefstes Geheimnis ausgegraben.
    »Ja«, sagte sie. »Ich kannte ihn, als wir noch Kinder waren. Wir gingen in dieselbe Schule, drüben in Wielitzken.«
    »Beim alten Lehrer Rammoser …«
    »Genau.« Sie schaute ihn erstaunt an, offensichtlich überrascht, dass ein Kriminalkommissar aus Berlin den alten Rammoser zu kennen schien.
    »Eine Bitte habe ich noch, Fräulein Cofalka. Die Bücher, für die Radlewski sich interessiert hat – können Sie mir die mal zusammenstellen?«
    Die Bibliothekarin lächelte, zum ersten Mal, seit Rath seine Marke gezückt hatte, und er nahm das als gutes Zeichen.
    »Das ist nicht schwer«, sagte sie, »die stehen alle in einem Regal.«
    Rath verschaffte sich einen kurzen Überblick. Rund zwei Dutzend Bücher waren es, und sie beschäftigten sich allesamt mit den Indianern und ihrer Kultur. In dem Regal standen, das überraschte ihn, deutlich mehr Sachbücher als Abenteuerromane. Auch die große Anzahl an Titeln, die die Kreisbücherei Oletzko zu diesem Thema bereithielt, erstaunte Rath, er fragte aber nicht nach, um Fräulein Cofalka nicht in Verlegenheit zu bringen, die Frage beantwortete sich auch so: Die Bibliothekarin hatte definitiv eine Schwäche für Artur Radlewski, vielleicht war der Waldmensch sogar die große, unerwiderte Liebe ihrer Schulzeit, ja, ihres Lebens, und es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, dass sie bei den Neuanschaffungen des Öfteren mal an ihn gedacht hatte. Die Titel allein gaben keinen Aufschluss, ob sich hinter

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