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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Radlewskis Moor gegangen waren, dass sie aneinander vorbeigelaufen waren. Also zurück. Er ging wieder in den Wald hinein und rief in einigen Abständen den Namen seines Kollegen und den ihres Führers. Niemand antwortete.
    Als er das Moor wieder erreicht hatte, war die Sonne bereits hinter den Bäumen verschwunden.
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Sollten polnische Grenzer die beiden aufgegriffen haben? Immer wieder konnte man in den Zeitungen von Zwischenfällen an der Grenze zu Polen lesen, meistens in Schlesien, aber warum sollte so etwas nicht auch in Ostpreußen geschehen?
    Aber hätten die Grenzer dann nicht auch längst ihn aufgreifen müssen? So laut wie er eben gerufen hatte?
    Ansonsten gab es nur noch eine Erklärung: Die beiden Saukerle hatte ihn sitzen lassen.
    Aber warum? Weil auch Kowalski zu feige war, ins Moor zu gehen? Weil er einem Befehl zuvorkommen wollte?
    Zwecklos, darüber nachzudenken, die Männer waren verschwunden, das war das Einzige, was jetzt eine Rolle spielte.
    Rath schaute über das Moor. Fünfhundert Meter bis zu Radlewskis Versteck, hatte Adamek gesagt. Aber das war Wahnsinn, er war allein hier in der Wildnis, er würde bestimmt keinen Schritt in dieses Moor setzen, auch wenn die Hütte nur einen Steinwurf entfernt lag. Wenn Adamek denn überhaupt die Wahrheit gesagt hatte. War das hier die Rache für ihr Aufeinandertreffen und die Beinahe-Prügelei in Pritzkus’ Kaschemme?
    Den Weg zurück zur Lichtung und zur Grenze fand er ohne Probleme. Rath zündete sich noch eine Overstolz an, die vorletzte, und versuchte, sich zu orientieren. Die Sonne stand im Westen, war das nicht auch die Richtung, in die er gehen musste? Und ein bisschen Richtung Norden halten, dann müsste das schon hinhauen. Und Norden, das war rechts von Westen. Eigentlich kein Problem.
    Guten Mutes ging er hinein in den preußischen Kiefernwald, in die Richtung, die er für die richtige hielt. Wenigstens befand er sich jetzt nicht mehr in Polen.
    Er hoffte, den Waldrand zu erreichen oder den kleinen See. Und wenn nicht: Solange er nur immer geradeaus ging, müsste er zwangsläufig irgendwann auf einen Weg oder vielleicht sogar eine Straße treffen.
    Das war sein Plan, doch nach einer guten Stunde steckte er noch immer im Wald. Inzwischen war es auch schon deutlich dunkler geworden. Die Dämmerung stand kurz davor, in richtige Dunkelheit überzugehen.
    Verdammt! Und er hatte nichts dabei, keine Taschenlampe, gar nichts. Aber wenigstens ordentliches Schuhwerk.
    Er musste daran denken, wie er sich mit Charly einmal am Müggelsee verirrt hatte, und so langsam verschwand das Vertrauen in seinen Orientierungssinn. Obwohl sie sich damals von Kirie hatten in die Irre führen lassen. Ohne Hund hatte er jetzt wohl bessere Chancen. Ein Kompass wäre nicht schlecht gewesen, die Sonne würde bald keine Orientierung mehr bieten, bereits jetzt ließ das diffuse Licht, das durch die Baumkronen nach unten drang, nur ungefähr ahnen, wo sie gerade unterging. Beziehungsweise: bereits untergegangen war.
    Rath bekämpfte die aufsteigende Panik und marschierte tapfer weiter. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, immer noch konnte er die Baumstämme gut erkennen, die in penetranter Eintönigkeit hinter- und nebeneinander standen. Nirgends war etwas zu erkennen, das auf einen Waldrand hindeutete.
    »Kowalski«, rief er noch einmal, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. »Adamek.«
    Der Wald reagierte mit brutaler Stille. Mit einer Stille, die nichts Romantisches oder Beruhigendes hatte.
    Endlich konnte Rath einen helleren Lichtschimmer hinter den Bäumen erspähen. Der Waldrand. Wahrscheinlich wäre er bald wieder am See, kein Grund, hier panisch zu werden.
    Doch als er aus dem Wald trat, stand er nur auf einer Lichtung. Nicht die, von der er aufgebrochen war, wenigstens das: Er war nicht im Kreis gegangen. Mehr aber auch nicht, er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Sternenklarer Himmel überspannte die Lichtung und den Wald, über dessen Wipfeln bereits ein strahlend heller Mond stand. Zunehmend. Na, wenn das nicht optimistisch stimmen sollte! Rath verspürte trotz aller Enttäuschung auch so etwas wie Erleichterung: Wenigstens würde er in dieser wolkenlosen Nacht genügend Licht haben. Wo ging der Mond noch einmal auf? Im Osten wie die Sonne? Oder doch eher im Westen? Oder ganz woanders?
    Dass er jemals den Weg nach Markowsken finden würde, daran glaubte er nicht mehr, es würde ihm schon reichen, auf irgendeinem Wege

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