Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Erkältung geholt. Bei Ihrer nächtlichen Schwimmerei im Hafenbecken.«
»Was erzählen Sie da? Will das auch Ihr Beamter gesehen haben? Dann schicken Sie den mal besser zum Augenarzt.«
»Die Zeugenaussage eines Polizeibeamten ist vor Gericht sehr viel wert, Herr Aßmann.«
»Ich war nicht am Westhafen, verdammt, ich war im Rheingold !«
»Und können das sicherlich beweisen. Was haben Sie denn da gegessen, im Rheingold ?«
»Rehrücken.«
Böhm machte eine Notiz. »Wir werden nachprüfen, ob das auf der Karte steht.«
»Tun Sie das.«
»Aber ein Beweis dafür, dass Sie auch wirklich dort waren, ist das immer noch nicht.«
»Und die Rechnung? Wäre das ein Beweis?«
»Jedenfalls besser als nichts. Wenn Sie mir die bitte zeigen wollen.«
»Geht leider nicht. Ich habe das Essen nicht bezahlt.«
»Und wer war es, der Sie da netterweise eingeladen hat?«
»Mein Chef.« Aßmann grinste. »Gustav Wengler. Der Direktor der Luisenbrennerei.«
Böhm grunzte und stand auf.
»Kressin, machen Sie doch erst mal ohne mich weiter.«
Der Mann nahm sie nicht ernst, das sah sie schon an seinem Blick. Schien sie für eine Sekretärin zu halten oder für eine weitere Stenotypistin. Dabei hielt nur Hilda Steffens einen Stenoblock in der Hand. Und Charly hatte sich laut und deutlich vorgestellt, ihren Namen und ihre Funktion. Aber mit dem Wort Kommissaranwärterin schien Gustav Wengler nichts anfangen zu können. Oder nahm es genauso wenig ernst wie Sekretärin oder Stenotypistin . Wegen des – in am Ende.
Offensichtlich schien er den Schupo, der sich neben der Tür von Vernehmungsraum A aufgebaut hatte und streng guckte, für deutlich wichtiger zu halten als die Frau, die ihm gegenübersaß. Der Uniformierte war es jedenfalls, zu dem er sich umdrehte und den er ansprach.
»Ich habe geschäftliche Termine, die ich wahrnehmen muss. Wie lange wollen Sie mich hier festhalten?«
Der Schupo sagte nichts. Stand nur da mit regungslosem Gesicht wie die Schlosswache zu Kaisers Zeiten.
»Geschäftstermine kann man verschieben, Herr Wengler«, antwortete Charly. »Sie haben unsere Vorladung bereits vor vier Tagen erhalten, Sie hatten genügend Zeit, Ihren Terminkalender entsprechend zu ordnen.«
Wengler drehte seinen Kopf zu ihr, schaute sie irritiert an und ein wenig indigniert.
»Ich bin zu einer Befragung vorgeladen worden. Und was passiert? Ich bin pünktlich hier, und der Herr Kommissar, der mich befragen will, lässt sich nirgends blicken.«
»Dass Sie hier keinen Herrn Kommissar sehen, liegt schlicht und einfach daran, dass ich Sie befragen werde.« Charly lächelte so freundlich, wie sie konnte, und genoss Wenglers fast schon angewiderten Gesichtsausdruck. »Ein paar Fragen nur. Ich denke, auch Sie haben ein Interesse daran, dass der Tod Ihres Bruders aufgeklärt wird.«
Der Schnapsfabrikant nickte unwirsch. »Natürlich. Ich wundere mich nur, dass Ihre Kollegen mir diese Fragen nicht schon letzten Freitag gestellt haben, als ich schon einmal hier gesessen habe.«
»Weil sich in einer Ermittlung immer wieder Neues ergibt. Und neue Erkenntnisse werfen neue Fragen auf, so ist das nun mal.«
»Neue Erkenntnisse? Da bin ich aber gespannt.«
Hilda Steffens hatte Block und Bleistift in Habtachtstellung gebracht, und Charly legte los.
»Dietrich Aßmann ist der Geschäftsführer der Luisenbrennerei in Treuburg?«
»Das nennen Sie eine neue Erkenntnis?«
»Warum haben Sie den Geschäftsführer Ihrer Brennerei nach Berlin geschickt? Herr Aßmann ist nun schon über eine Woche hier.«
»Edith Lamkau hat mich darum gebeten, ihr zu helfen.«
»Und da schicken Sie gleich Ihren wichtigsten Mitarbeiter.«
»Meinen besten Mitarbeiter. Die Firma Lamkau spielt eine entscheidende Rolle für unseren Vertrieb in Mitteldeutschland; es ist also in meinem eigenen Interesse, dass die Geschäfte hier schnell wieder laufen.«
»Wie gut kennen Sie Herrn Aßmann?«
»Was ist denn das für eine Frage?«
»Eine, die Sie mir bitte beantworten möchten.« Charly lächelte wieder. »Ist es eine rein geschäftliche Beziehung? Oder sind Sie auch persönlich befreundet?«
»Rein geschäftlich.«
»Wie gut kannten Sie Ihren Bruder?«
»Sie stellen aber wirklich seltsame Fragen.«
»Lassen Sie das meine Sorge sein. Sie müssen nur antworten.«
»In den letzten Jahren lagen rund achthundert Kilometer Entfernung zwischen uns. So gut kennt man sich da nicht mehr. Jedenfalls wusste ich seine letzte Adresse nicht, wenn Sie darauf anspielen.
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