Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Waren zur Beerdigung hier. Sind heute Morgen nach Danzig zurückgefahren.«
Nun war Charly doch überrascht. Sie hatte eine andere Antwort erwartet. Oder hob er den Namen Aßmann nur für den Schluss auf? Damit es glaubwürdiger klang, wenn er ihn mit einem »Ach so!« en passant erwähnte? Aber Wengler sprach nicht weiter.
»Sonst niemand?«, fragte sie.
»Nein.«
Charly schaute in ihr Notizbuch. »Ihr Geschäftsführer Dietrich Aßmann behauptet, Sie hätten gestern mit ihm zusammen im Rheingold gesessen und diniert.«
»Da muss er sich im Tag geirrt haben. Am Sonntagabend haben wir uns zum Essen getroffen, aber bei Kempinski, nicht im Rheingold .«
Gustav Wengler lächelte, aber Charly konnte sich kaum vorstellen, dass er nicht wusste, was er da gerade tat.
Ob er wirklich glaubte, seinen eigenen Kopf so aus der Schlinge ziehen zu können? Ahnte er nicht, dass sein alter Weggefährte Aßmann sich so etwas nicht gefallen lassen würde?
68
G ustav Wengler hatten sie gehen lassen müssen, aber Lange hatte sich weiter an dessen Fersen geheftet. Dietrich Aßmann hingegen durfte dank Wenglers Aussage sein Mittagessen in einer Einzelzelle im Zellentrakt des Polizeipräsidiums einnehmen.
Charly wusste nicht, ob den Insassen dort derselbe Fraß serviert wurde wie den Mitarbeitern in der Kantine, heute jedenfalls schien es so zu sein, die Pampe, die sie hier als Kartoffelpüree anboten, hätte anderswo als Kleister Karriere machen können. Und das Kasseler war sehnig und höchstens lauwarm.
Sie nahm eine Serviette und packte das Fleisch sorgfältig ein. Für Kirie. Und den Rest konnte sie mit einer gewissen Todesverachtung essen, das Sauerkraut war gar nicht mal schlecht.
Sie schaute auf den Teller von Wilhelm Böhm, der aussah wie frisch gespült. Der Oberkommissar hatte einen Magen wie ein Pferd. Und Geschmacksnerven wie ein Müllauto.
»Wann holen wir Aßmann wieder in den Vernehmungsraum?«, fragte sie und steckte sich eine Zigarette an.
»Ein Stündchen oder so lassen wir ihn noch schmoren.«
»Was er wohl sagen wird, wenn er merkt, dass sein Alibi platzt?«
»Ich hoffe eine ganze Menge. Vor allem Dinge, die Gustav Wengler belasten.«
»Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir hier eigentlich eine Mordermittlung führen. Der Alkoholschmuggel ist Sache der Zollfahndung.«
»Natürlich. Nur sieht es so aus, dass unsere Mordserie ursächlich mit dem Schwarzbrennen von Luisenbrand und den krummen Geschäften dieser Leute zusammenhängt. Vier von denen sind schon tot, und das heißt, dass alle, die irgendetwas mit dieser Schmuggelgeschichte zu tun haben, potenzielle Opfer unseres Mörders sein könnten. Sowohl Aßmann als auch Wengler.«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, dass an diesem Mordfall ein Fluch klebt.« Charly schüttelte den Kopf. »Ich meine, es ist doch wie verhext: Wir stoßen dauernd auf andere Verbrechen, nur bei der Suche nach dem Mörder sind wir noch nicht großartig weitergekommen.«
Böhm nickte. »Wäre gut zu wissen, was Kommissar Rath inzwischen in Ostpreußen so herausgefunden hat. Wenn wir diesen Indianer endlich dingfest machen könnten, wäre mir wohler.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Den Königsberger Kollegen, der ihn in Masuren unterstützt hat, den hat er wieder zurückgeschickt. Das hört sich für mich so an, als habe Rath seine Ermittlungen beendet. Nur – warum kommt er dann nicht zurück? Und meldet sich nicht?« Böhm beugte sich über den Tisch und senkte seine Stimme. »Mal im Vertrauen, Charly, Sie haben doch einen guten Draht zu Kommissar Rath. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum er sich schon seit einer Woche nicht mehr gemeldet hat?«
Charly hätte sich fast an ihrer Sinalco verschluckt. Sie stellte das Glas ab.
Sie hatte viele Erklärungen. Und die meisten davon wollte sie nicht mit Wilhelm Böhm teilen. Auch nicht, dass sie Gereon schon tausendmal dafür verflucht hatte, dass er nichts mehr von sich hören ließ. Weil man bei ihm nie wissen konnte, warum er das tat. Bei einem zuverlässigeren Menschen hätte man sich wenigstens Sorgen machen können, aber bei Gereon wusste man nicht einmal, ob man sich ärgern oder sorgen sollte.
Was sollte sie Böhm erzählen? Sie zuckte einfach die Achseln und drückte die Zigarette aus.
»Ich denke, wir sollten wieder an die Arbeit gehen«, sagte sie. »Kommissar Rath wird sich schon melden. Oder er sitzt irgendwann einfach wieder an seinem Schreibtisch und tut so, als wäre nichts geschehen.«
»Ja, das
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