Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Berlin sagt, danach kräht kein Hahn mehr. Es hat sich ausgejudet in der preußischen Polizei.«
»Ihr habt eine ganze Menge gegen andere Konfessionen, wie es scheint; ihr solltet da ein bisschen toleranter sein. Gerade als Preußen.« Rath hielt die Braunhemden immer noch mit seiner Walther in Schach. »Jedenfalls: Ob mit Juden oder ohne, macht euch darauf gefasst, dass eine Mordkommission der preußischen Kriminalpolizei schon bald einige Fragen an euch haben wird.«
Er ließ die Braunhemden stehen und ging weiter zum Bahnhof. Ein gutes Gefühl, sich Wenglers aktuelle Schlägertruppe endgültig zum Feind gemacht zu haben. Ein noch besseres Gefühl, seinen Koffer schon gepackt zu haben.
82
C harly wusste nicht mehr, was sie noch glauben sollte.
Wo zum Teufel steckte Gereon? Was war hier los? Warum meldete sich der Scheißkerl nicht?
Es sah aus wie seine Unterschrift, aber sie konnte sich nicht im Ernst vorstellen, dass er gestern im Polizeigewahrsam gewesen war, um einen Häftling umzubringen. Und dann auch noch seinen Namen zu hinterlasen.
Da musste sich jemand einen verdammt üblen Scherz erlaubt haben.
Das schien auch Gennat zu denken, dennoch hatte der Buddha sie vorhin noch zu einem Vieraugengespräch gebeten, nachdem er Voßkamp und Böhm aus seinem Büro entlassen hatte.
Der Kriminalrat wusste von ihrer Verlobung, er wusste, dass sie Gereon besser kannte, er hoffte, sie könne ihm auch sagen, wo er sich gerade aufhielt und was er machte. Konnte sie aber nicht.
Verlobt oder nicht, Gereon Rath war genauso ein unzuverlässiger Mistkerl, wie er es schon immer gewesen war. Er ging seinen eigenen Dingen nach, wenn ihm danach war, und der Rest der Welt interessierte ihn nicht. Daran konnte auch ein Verlobungsring nichts ändern.
Sie holte den Ring aus ihrem Portemonnaie, wo sie ihn seit jenem denkwürdigen Tag vor zwei Wochen aufbewahrte. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn wieder an den Finger stecken würde oder ob sie ihm das Ding einfach vor die Füße werfen sollte, wenn er sich jemals wieder blicken ließ.
Wo steckte der Scheißkerl, verdammt? Verdammt!
Sie schlug mit ihrer Faust auf den Tisch.
Er hatte ihr sein Auto dagelassen, seinen Hund, seine Wohnungsschlüssel. Und einen Verlobungsring. Nur von ihm selbst hatte sie seit über einer Woche nichts mehr gehört. Was bildete er sich eigentlich ein?
Oder musste sie sich doch Sorgen machen?
Die machte sie sich längst, aber wenn sie sich das eingestand, wurde sie noch wütender.
Sie fragte sich, ob sie noch einmal in seinem Hotel anrufen und sich noch einmal lächerlich machen sollte.
Eigentlich war es längst Zeit, in den Feierabend zu gehen, sie war die Einzige, die noch im Büro hockte. Und sich Gedanken darüber machte, welcher Mensch sich im Zellentrakt als Gereon Rath ausgegeben hatte. Der Wachmann hatte nicht einmal den Dienstausweis verlangt, die Marke hatte ihm gereicht. Wo sich jeder Idiot so eine Marke besorgen konnte, wenn er sie brauchte. Auch wenn das natürlich strafbar war.
Und eine Unterschrift konnte man fälschen. Wobei diese Fälschung nah an das Original herankam. Sie musste also von jemandem stammten, der irgendwoher über eine Unterschrift von Gereon Rath verfügte.
Vielleicht sollte sie Gennat morgen vorschlagen, man möge sich doch einmal darum kümmern. Anstatt eine Kommissaranwärterin mit Fragen zu belästigen, die sie nicht beantworten konnte.
Das Telefon auf dem Sekretärinnenschreibtisch klingelte, und sie schreckte hoch.
Die direkte Durchwahl auf den Apparat von Erika Voss.
Die war schon seit Stunden im Feierabend. Hatte Kirie wieder mitgenommen, weil Charly noch bei Gennat gehockt hatte, als sie in den Feierabend ging.
Einen Moment zögerte sie, aber dann ging sie hinüber und hob ab.
»Ritter, Büro Kommissar Rath«, meldete sie sich.
»Apparatebau Rath, Rath am Apparat.«
Sie war so perplex, dass sie einen Augenblick gar nichts sagen konnte. Mehrere Augenblicke. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, so erleichtert war sie, seine Stimme zu hören. Verdammter Scheißkerl! Sie hielt den Hörer in der Hand und ließ die Tränen fließen. Wenigstens konnte er sie nicht sehen.
»Hallo? Charly? Bist du noch da?«
»Du verdammter Scheißkerl!« Ein anderer Ausdruck fiel ihr einfach nicht ein, und es war wohl auch der, der am besten passte.
»Charly, reg dich nicht auf. Hör zu, ich hab nicht viel Kleingeld, ich stehe hier in einer Telefonzelle am Bahnhof …«
»Auf welchem
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