Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
der Maria Cofalka auf die Schliche gekommen war.
Gestern hatte man die Frau beerdigt, und Rath war entschlossen, eine Exhumierung zu erwirken. Die Bibliothekarin war tot, aber ihr Fall noch lange nicht erledigt!
Er warf seine Zigarette in den Schwentainer See und machte sich auf den Rückweg zum Bahnhof.
80
A ls Charly mit Böhm in die Burg zurückkehrte, saß Voßkamp, der Leiter der Wachmannschaft, persönlich bei Gennat im Büro. Trudchen Steiner, Gennats Sekretärin, winkte sie durch.
»Der Herr Kriminalrat hätte Sie gerne mit dabei«, sagte sie. Charly wusste nicht, ob nur Böhm damit gemeint war oder auch sie, doch der Oberkommissar schob sie kurzerhand mit durch die Tür.
»Und?«, fragte Gennat, kaum hatte die Sekretärin Kaffee eingeschenkt. »Was sagt denn die Gerichtsmedizin?«
»Nicht unser Serienmörder, ein Nachahmungstäter.« Böhm zuckte die Achseln. »Der Mann hat dem Aßmann ganz humorlos das Genick gebrochen. Und ihn hernach mit Wasser besprenkelt und ein rotes Taschentuch dagelassen, damit wir erst einmal auf dem falschen Dampfer sind. Sind wir nu aber doch nicht.«
»Im Wasser haben sich Spuren von Rasierwasser gefunden«, ergänzte Charly.
»Interessant.« Gennat schaufelte drei Löffel Zucker in seine Kaffeetasse und rührte langsam und bedächtig um. »Also ein Nachahmer. Das deckt sich mit der Erkenntnis der Spurensicherung. Während die Herkunft der übrigen roten Tücher immer noch nicht geklärt ist, konnte sie bereits ermitteln, woher das von heute Morgen stammt: aus der Textilwarenabteilung von Tietz, direkt hier am Alexanderplatz.«
»Das ging aber schnell.«
»Einer von Kronbergs Mitarbeitern hat das Tuch erkannt. Hat sich erst vor ein paar Tagen so eins gekauft.«
»Dann ist der Mann ja dringend tatverdächtig«, scherzte Charly.
»Machen Sie darüber keine Witze.« Gennat guckte ernst. »Damit sind Sie womöglich näher an der Wahrheit, als Ihnen lieb ist.« Der Buddha schaute den Uniformierten auf seinem Sofa an. »Herr Voßkamp und ich, wir haben inzwischen nämlich auch ein paar Rätsel gelöst.«
Der Wachmannschaftskommandeur, der das als Aufforderung zum Rapport verstand, räusperte sich. »Jawohl«, sagte er und stellte seine Kaffeetasse ab, »wir haben die Wachdienstleiter des Spät- und des Nachtdienstes befragt, um die letzten Stunden von Herrn Aßmann rekonstruieren zu können.« Er räusperte sich noch einmal. »Und demnach hat der Gefangene um einundzwanzig Uhr zwölf Besuch erhalten. Von einem Kriminalkommissar.«
Charly horchte auf.
»Von welchem Kommissar?«, fragte Böhm. »Ich habe keinen raufgeschickt zu ihm, mitten in der Nacht. Oder hat die Zollinspektion da etwa …«
»Nein, es war ein Kriminalkommissar«, sagte Voßkamp, »so ist es in der Besucherliste vermerkt.«
»Und nach allem, was wir bislang wissen«, sagte Gennat, »muss es dieser Mann gewesen sein, der Dietrich Aßmann auf dem Gewissen hat.«
»Was soll das heißen? Ist da eine Vernehmung aus dem Ruder gelaufen?«
»Das wissen wir noch nicht.« Gennat zuckte die Achseln. »Der Wachmann schwört Stein und Bein, dass alles normal ausgesehen hat, als er den Beamten wieder aus der Zelle geholt hat. Der Gefangene habe bereits auf der Pritsche gelegen und geschlafen.«
»Oder er war schon tot«, sagte Charly und ärgerte sich gleich darauf über ihre Unbeherrschtheit.
»So ist es, Fräulein Ritter«, sagte Gennat aber nur. »Das glaube ich auch.« Er schaute auf einen Zettel. »Das war um einundzwanzig Uhr siebenunddreißig, als der Beamte wieder um Aufschluss bat. Um diese Uhrzeit hat er auch den Zellentrakt wieder verlassen.«
»Und danach gab es keine besonderen Vorkommnisse«, ergänzte Voßkamp, dem diese Tatsache offensichtlich besonders erwähnenswert erschien.
»Wenn er in der Besucherliste steht, dann muss er doch einen Namen hinterlassen haben«, sagte Böhm. »Warum haben wir diesen Beamten denn nicht längst in einem Vernehmungsraum sitzen und quetschen ihn aus?«
»Ich fürchte, das ist nicht so einfach«, sagte Gennat und schlug ein Quartheft auf, das er Böhm über den Tisch reichte. »Hier ist der Eintrag, schauen Sie, hier unten.«
Böhm nahm das Buch und schaute hinein. Charly schielte auf die Seite. Hier war fein säuberlich vermerkt, welcher Gefangene in welcher Zelle von wann bis wann von wem Besuch erhalten hatte. Der letzte Eintrag unter dem gestrigen Datum betraf Dietrich Aßmann, und Charly konnte sehen, welcher Name dort stand und welche Unterschrift.
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