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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Grenzbeamten begegnet waren, ließen ihn befürchten, dass die polnischen Zivilisten ihn nicht besser behandeln würden, sollte er irgendwo Rast machen und als Deutscher erkannt werden. Er wollte es gar nicht erst darauf ankommen lassen.
    Die Einreise nach Ostpreußen verlief problemloser als die Einreise nach Polen; die Grenzer wollten sein Visum sehen, seinen Pass und seinen Führerschein. Eine gute halbe Stunde, und er hatte wieder deutschen Boden unter den Füßen.
    Mittlerweile war es kurz nach Mitternacht.
    97
    E in freundlicher Tag erwartete Charly, als sie mit dem Hund vor die Tür trat. Es war wieder wärmer geworden. Sie spürte die Sonnenstrahlen auf der Haut und einen leisen Wind, der sie ihre Müdigkeit vergessen ließ. Was für eine Nacht! Vor Ärger hatte sie ewig nicht einschlafen können.
    Gereon Rath. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein?
    Mehr noch als über ihn hatte sich Charly über sich selbst geärgert. Über ihre Dämlichkeit, darüber, dass sie Haus und Hund hütete, während der werte Herr sich in der Weltgeschichte herumtrieb. Nicht einmal den Wagen hatte er ihr gelassen, hätte er nicht wieder fliegen können? Dass er wirklich mit Böhms Segen nach Masuren gefahren war, so Hals über Kopf, wollte sie nicht so richtig glauben.
    Und sie hatte sich so darauf gefreut, mit ihm heute ins Grüne zu fahren. Und wählen zu gehen.
    Charly musste an die letzte Woche denken, in der sie fleißig geübt hatten für die Ehe. Gehörte so etwas auch zum Ehealltag: einsame Wochenenden?
    Aber nicht für Charlotte Ritter! Würde sie eben die Wannseetour nachholen, die sie Greta noch schuldete. Ihr Wahllokal lag ohnehin in Moabit, da könnte sie auch in der Spenerstraße vorbeischauen. Vielleicht sollte sie da gleich über Nacht bleiben, sie war doch nicht dazu da, Gereon Rath das Bett in der Carmerstraße warm zu halten!
    Sie zog kräftig an der Leine, weil Kirie nicht sofort folgte, als sie die Straße überqueren wollte. Der Hund guckte sie erstaunt an und trabte hinterher, und Charly bereute es gleich, dass sie das Tier ihre Wut hatte spüren lassen. Kirie konnte nun am allerwenigsten für die Kapriolen ihres Besitzers.
    Am Steinplatz blieb sie vor der Litfaßsäule mit den Wahlplakaten stehen. Schluss mit diesem System , verlangte die KPD. Die Arbeiter sind erwacht , behaupteten die Nazis. Hier in Charlottenburg würden sie mit diesen Parolen nicht viele Wähler ansprechen. Dann schon eher die Deutschnationalen, die Mehr Macht dem Reichspräsidenten plakatiert hatten und den alten Hindenburg zeigten. Mit Demokratie hatten alle drei Parteien nicht viel am Hut, und darum ging es ihnen auch nicht bei den Wahlen. Um Macht ging es ihnen, allein um Macht.
    Sie wollte gerade zu den Grünanlagen hinübergehen, da trat ein Mann aus dem hellen, hochherrschaftlichen Haus an der Ecke auf den Gehweg. Der Mann schien in Gedanken, er setzte seinen Hut auf, schaute durch dicke Brillengläser in den Tag und kam ihr geradewegs entgegen.
    Charly konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »Herr Polizeivizepräsident«, rief sie aus. »Guten Morgen.«
    Bernard Weiß schaute freundlich und lüftete seinen Hut.
    »Guten Morgen, Fräulein Ritter.«
    Er hatte nicht eine Sekunde überlegen müssen, um auf ihren Namen zu kommen, was Charly mehr schmeichelte, als sie hätte zugeben wollen.
    »Ich fürchte«, fuhr Weiß fort, »Sie gehören zu den wenigen in dieser Stadt, die mir diesen Titel noch zubilligen.«
    »Das mag sein, aber für mich sind Sie immer noch der Chef, Herr Doktor.«
    Weiß lächelte. »Streng genommen bin ich auch nur beurlaubt. Und habe in der Haft eine Erklärung unterschreiben müssen, mich jeder dienstlichen Maßnahme zu enthalten.«
    »Das war nicht rechtens, Ihre Amtsenthebung. Und die der Landesregierung, das war ein Putsch.«
    »Was rechtens war, wird der Staatsgerichtshof entscheiden.«
    Charly zögerte, aber dann fragte sie doch. Die Frage, die ihr auf der Seele brannte, seit sie mit hatte ansehen müssen, wie Reichswehrsoldaten die Berliner Polizeispitze abgeführt hatten wie Verbrecher. »Warum haben wir uns nicht gewehrt?«, fragte sie. »Zwanzigtausend Polizeibeamte. Wir hätten es verhindern können, diesen Putsch.«
    »Ich denke, Ministerpräsident Braun und Polizeipräsident Grzesinski wollten keinen Bürgerkrieg riskieren. Es ist schon genug Blut geflossen auf unseren Straßen.« Weiß zeigte auf die Litfaßsäule. »Und wer weiß, vielleicht beschert uns die Wahl ja eine neue

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