Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
vielleicht gibt es in dieser Angelegenheit schneller Neuigkeiten, als du denkst. Aber erst mal brauche ich deinen fachlichen Rat.«
»Soll ich dir einen Wein empfehlen? Tut mir leid, die Firma Wittkamp liefert nicht an alkoholismusgefährdete Junggesellen.«
»Aber an Kempinski, oder?«
»Seit gut zwei Jahren. Kann mich noch gut an den Besuch in Berlin erinnern. Hat mich einen Streifschuss und ein paar blaue Flecken gekostet. Weil ich dich irgendwo raushauen musste. Und nebenbei habe ich tatsächlich sogar noch den Vertrag mit Kempinski unter Dach und Fach gebracht.«
»Wie wichtig ist das für dich? Der Vertrag mit Kempinski?«
»Sehr. Nicht nur wegen des Umsatzes, auch wegen der Reputation. Kempinski zu beliefern, das ist so wie früher Hoflieferant. Nur dass wir jetzt eben keinen Kaiser mehr haben und keinen König, da müssen andere Referenzkunden her. Und Kempinski hat einen guten Namen, nicht nur in Berlin.«
»Ist es schwer, dort reinzukommen?«
»Ich will es mal so sagen: Andere Kunden sind leichter zu gewinnen. Qualität ist für die das Wichtigste, dann erst kommt der Preis.«
»Lassen Kempinski-Einkäufer sich bestechen?«
»Wie bitte?«
»Kann man ihrem guten Willen etwas nachhelfen? Mit kleinen Geschenken zum Beispiel.«
»Ich weiß nicht, wie du dir meine Geschäfte vorstellst, aber so was habe ich noch nie gemacht.«
»Das sage ich ja auch gar nicht. Mir geht’s nur darum, ob du dir das vorstellen kannst.«
»Grundsätzlich ist wohl jeder bestechlich. Aber wenn die Qualität nicht stimmt, würde kein Kempinski-Einkäufer sich darauf einlassen. Das flöge sofort auf; der Mann wäre seine Stellung los.«
»Und wenn die Qualität einmal schlecht war und man rauszufliegen droht, könnte ein kleines Geschenk dann vielleicht helfen? Vorausgesetzt, man schwört hoch und heilig, fortan wieder die gewohnte Qualität zu liefern.«
»Gereon, hör mal, ich weiß nicht, ob ich dir da wirklich weiterhelfen kann. Ich weiß nicht, was Leute machen, die verzweifelt sind. Ich weiß nicht, wie Kempinski-Einkäufer darauf reagieren.«
»In die Verzweiflung treiben kann es einen aber schon, bei Kempinski rauszufliegen …«
»Auf jeden Fall kann es deinen guten Ruf ruinieren. Solltest du jemals einen gehabt haben.«
13
D ie Femina-Bar lag am Anfang der Nürnberger Straße, ganz nah am Tauentzien, in einem großen, modernen Neubau mit einer unendlich langen, elegant geschwungenen Fassade. Nirgends war Berlin mondäner als in dieser Gegend. Ein Mann in rot-goldener Uniform öffnete den Wagenschlag und half Charly beim Aussteigen, während Rath dem Taxifahrer einen Schein in die Hand drückte. Er hatte reichlich eingesteckt, er wusste, dass der Abend nicht billig werden würde.
Rath schaute die Straße hinunter. Ein paar Hundert Meter weiter Richtung Wilmersdorf hatte er vor drei Jahren einmal gewohnt, als möblierter Herr bei der Witwe Behnke. Das Femina war damals noch eine Baustelle gewesen.
Charly stand neben dem Taxi und schenkte Rath ein Lächeln. In ihrem nachtblauen Kleid, über dem sie einen leichten Sommermantel trug, sah sie umwerfend aus. Er war froh, dass er sich einen neuen Abendanzug besorgt hatte, um mithalten zu können. Er bot ihr seinen Arm, und sie hakte sich ein. Wie unsäglich stolz er sich plötzlich fühlte, mit ihr hier durch die Nacht zu gehen, dem goldbetressten Portier zu folgen, der sie zum Eingang führte, der aus einer ganzen Reihe moderner Glastüren bestand; ein breiter, einladender Streifen aus warmem, hellem Licht, über dem sich der Rest der Fassade im Dunkel verlor, unterbrochen nur von den Bändern der Leuchtschriften: Femina, das Ballhaus Berlins .
Und das war es auch, die derzeit angesagteste Adresse der Stadt. Und sicherlich nicht die billigste. Aber schließlich wollte er ihr auch zeigen, dass sie ihm etwas wert war. Mehr als er jemals würde bezahlen können.
Im Taxi hatten sie nicht viel gesprochen, Rath hatte den Eindruck, dass Charly mindestens so nervös war wie er selbst, und konnte nicht sagen, ob das ein gutes oder ein schlechtes Omen war.
Der Portier öffnete ihnen eine der Glastüren. Rath steckte dem Mann, unbemerkt von Charly, einen Fünfer zu, und der empfahl die neuen Gäste gleich seinem Kollegen im Foyer, der sie zur Garderobe führte und sich um alles kümmerte und ebenfalls mit einem Fünfer belohnt wurde. Rath achtete sorgsam darauf, dass Charly nicht mitbekam, wie er mit dem Geld um sich warf. Der Mann brachte sie zu einem großen
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