Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
anstoßen.«
»Wie?«
»Na, wenn ich dich richtig verstanden habe, war das gerade ein Ja. Wenn wir darauf nicht anstoßen, worauf denn dann?«
Für einen Moment schaute sie ihn verdutzt an, dann zeigte sich ihr Grübchen. »Verdammt, einem Bullen kann man wirklich nichts vormachen, was?«
Sie griff zu ihrem Glas, sie stießen an und tranken. Dann nahm sie seine Hand in die ihre und schaute ihn an mit ihren braunen Augen und Rath wusste wieder, warum sie jedes einzelne graue Haar wert war, das er ihretwegen schon bekommen hatte und noch bekommen würde.
»Ernsthaft, Gereon«, sagte sie, »diese Dinge sind mir wichtig!«
Er nickte. Niemand hatte behauptet, dass es einfach werden würde mit Charly. Aber darum ging es auch nicht. »Versprochen«, sagte er und lächelte. »Ich werde dich niemals daran hindern zu arbeiten. Aber …« Er zögerte. »… trotz allem hätte ich gern Kinder mit dir … irgendwann.«
Sie lächelte und zeigte ihr Grübchen. »Meinetwegen auch hundert, wenn du unbedingt willst. Aber ich muss dich warnen! Ich kann nämlich nur Mädchen bekommen. Und die werden alle genauso wie ich.«
»Herr im Himmel! Dann sollten wir uns das vielleicht wirklich noch mal überlegen.«
»Nichts da! Jetzt will ich auch den Ring!«
Er zog das kleine Etui aus seiner Innentasche und klappte es auf. »Wenn ich dann um Ihre Hand bitten dürfte, Fräulein Ritter.«
Sie streckte ihm ihre Linke entgegen, und er streifte ihr den Ring gekonnt über den Finger. Er passte perfekt.
»Du hast wohl Übung«, sagte sie.
»Das weißt du doch.« Er hob sein Glas. »Auf uns. Auf die schönste Verlobung, die ich jemals feiern durfte!«
Sie betrachtete den Ring aus der Nähe. »Wäre der hier nicht so schön, würde ich ihn dir glatt an den Kopf werfen. Nach so einer Unverschämtheit.«
»Nichts da, jetzt ist es offiziell.« Rath nahm die Flasche aus dem Kühler und schenkte Champagner nach. »Aber einmal möchte ich es von dir hören.«
»Was?«
»Nun, was wohl? Das eine kleine Wort. Ja.«
»Ich dachte, das ist erst wichtig auf dem Standesamt.«
Sie lächelte.
Plötzlich gab es einen Tumult. Es musste schon eine Weile lauter geworden sein, doch bislang hatte die Musik das Gebrüll gnädig überdeckt. Nun aber war das Stück zu Ende, und in den abebbenden Applaus hinein krakeelte ein Mann.
»Wenn ich verdammt noch mal ein Bier möchte, dann bringen Sie mir eins, Sie Lackaffe!«
Rath drehte sich um. Höchstens drei Tische weiter stand der Kellner, die Weinkarte in der Hand, und redete beschwichtigend auf einen Gast ein, der mit hochrotem Kopf dasaß, offensichtlich fest entschlossen, sich aufzuregen. Seiner Begleiterin, einer vollschlanken Schönheit, war das sichtlich unangenehm. Der Kellner sprach in einer zivilisierten Lautstärke, und Rath konnte nur Wortfetzen verstehen. »… tut mir leid …«, »… Weinzwang im Parkett …«, »… Bierausschank leider nur auf der Empore …« Dann legte der Brüllaffe wieder los, und der ganze Saal hörte mit.
»Wollen Sie mir vorschreiben, wo ich was zu bestellen habe? Ich bin Gast hier, Sie sind der Kellner, also bringen Sie mir ein Bier! Oder muss ich Ihnen Beine machen?«
Inzwischen hatten sich zwei elegant gekleidete und gut gebaute Herren dem Mann genähert. Der Kellner entfernte sich diskret und kümmerte sich um die anderen Gäste, während die beiden Herren leise auf den Randalierer einredeten, ihm wahrscheinlich empfahlen, doch schon einmal nach der Garderobenmarke zu suchen.
Der Schreihals hatte noch nicht erkannt, dass er bereits verloren hatte. Er sprang auf und wischte die Hand von seiner Schulter, die einer der beiden Muskelmänner darauf gelegt hatte.
»Das lasse ich mir nicht bieten in diesem verdammten Judenlokal! So können Sie mit einem Deutschen nicht umspringen!«
Er sollte sich irren; die Muskelmänner konnten: So dezent so etwas nur eben möglich war, eskortierten sie den Choleriker aus dem Saal.
»Ihr werdet euch noch alle wundern«, zeterte der und drehte sich noch einmal um, bevor er endgültig in den Aufzug verfrachtet wurde und sich die Türen schlossen. »Judenpack! Glaubt, ihr seid was Besseres, aber da täuscht ihr euch!«
Die Frau, die nun allein am Tisch saß, schaute sich verschämt um. Dann nahm sie ihre Handtasche und stand auf.
Die Kapelle hatte endlich ihre Noten umgeblättert, die Musik setzte wieder ein, und die Gäste, die dem Zwischenfall schweigend gelauscht hatten, nahmen ihre Gespräche wieder auf, auf der
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