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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Andreas Lange aber war sie trotz einer gemeinsamen Ermittlung immer noch per Sie. Und mit Gereon Rath war sie per Du und musste ihn dennoch siezen. Ziemlich kompliziert. Bei Erika Voss war sie sich überhaupt nicht sicher, welcher Umgangston angebracht war. Normalerweise hätte sie ihr das Du angeboten, aber wäre das nicht zu anbiedernd? Musste sie als Kommissaranwärterin nicht Distanz wahren zu einer Sekretärin?
    Sie hatte beschlossen, sich über diese Frage vorerst nicht den Kopf zu zerbrechen und sich um ihre Arbeit zu kümmern. Erst einmal eine Fleißarbeit für die Neue, natürlich konnte Gereon sie nicht bevorzugen. Und so hatte er sie mit der Aufgabe betraut, Bezugsquellen für ein Lähmungsgift namens Tubocurarin abzuklappern, das Gift, das den Mann im Haus Vaterland getötet hatte, und Reinhold Gräf hatte ihr eine lange Adressenliste der Stellen auf den Tisch gelegt, die dieses Mittel vorrätig hatten: Lateinamerikaforscher und Tropeninstitute, aber auch ein paar Krankenhäuser. Charly hatte sich wie befohlen an den Telefonmarathon gemacht, obwohl sie nicht glauben konnte, dass jemand, der solch ein Mittel als Mordwaffe einsetzen wollte, dafür auf legale Bezugsquellen zurückgriff. Entweder würde er es stehlen oder bei jemandem besorgen, der es eigentlich gar nicht besitzen durfte.
    Nach gut zwei Stunden hatte sie Gräfs Liste abgearbeitet und ihre Vermutung bestätigt: keine Diebstähle, kein unerklärliches Schwinden der Bestände; die Curarinvorräte waren nirgends angetastet worden.
    Charly schaute zu Erika Voss hinüber, die eifrig in die Tasten haute und die neue Kollegin mit Nichtachtung strafte. Wahrscheinlich hatte sie gerade den klassischen Fehler jeder Anfängerin gemacht und eine Arbeit, die ihr nur aufgetragen worden war, um sie erst einmal eine Zeit lang zu beschäftigen, viel zu schnell erledigt. Aber darauf konnte sie jetzt keine Rücksichten nehmen, sie wollte etwas Sinnvolles tun und nicht bloß rumsitzen. Dann musste sie die Herren der Schöpfung eben noch einmal stören. Sollten sie ihr doch etwas Neues geben!
    Erika Voss nahm ihren Telefonapparat mit einem Gesichtsausdruck zurück, der entfernt an ein Lächeln erinnerte, und Charly klopfte, die abgearbeitete Adressenliste unter dem Arm, an die Zwischentür.
    Lange und Gräf hatten sich an einem Schreibtisch über einen Karton mit Aktenordnern gebeugt, von denen einige bereits aufgeklappt auf dem Tisch lagen, und schienen etwas zu besprechen; Gereon telefonierte und hob nur kurz die Augenbrauen, als er sie sah. Sie schenkte ihm kaum Beachtung und merkte, dass ihr das insgeheim sogar eine diebische Freude bereitete: ihn scheinbar zu ignorieren und dennoch nah an seinem Schreibtisch vorüberzugehen und ihn beiläufig mit der Hand zu streifen, ohne dass die anderen es sahen. Sie durfte nicht daran denken, was gestern Abend in genau diesem Büro passiert war, sonst hätte sie ihn auf der Stelle an seiner Krawatte von seinem Schreibtisch weg und in die nächste Besenkammer zerren können.
    Sie stand vor dem Tisch mit den Aktenordnern und räusperte sich.
    »Fehlanzeige«, sagte sie. »Die Krankenhäuser und Südamerikaforscher bringen uns nicht weiter.«
    Der Kriminalsekretär schaute überrascht auf, der Kommissaranwärter ebenso. Die Herren hatten wohl tatsächlich gehofft, die Neue wenigstens bis zur Mittagspause zu beschäftigen. Bevor sie etwas sagen konnten, fuhr Charly fort.
    »Ich würde vorschlagen, die uns bekannten illegalen Bezugsquellen von Betäubungsmitteln aufzusuchen und dort die entsprechenden Fragen zu stellen.« Sie schaute sich um, hörte keinen Widerspruch und redete weiter. »Vielleicht sollte ich mal mit dem Rauschgiftdezernat sprechen, oder?«
    Reinhold Gräf guckte sie immer noch an wie ein Auto, und sie hätte beinahe losgelacht.
    »Schon durch?«, sagte er ungläubig, nahm die Liste entgegen und schaute über die abgehakten Adressen. »Und bei niemandem Unregelmäßigkeiten in Sachen Tubocurarin?«
    »Bei niemandem. Und alle haben nachschauen lassen und mich zurückgerufen. Ich denke, den Auskünften können wir vertrauen. Sind doch alles seriöse Adressen.«
    »Verstehe«, sagte Reinhold. »Und nun willst du die unseriösen abklappern.«
    Gereon hatte sein Telefonat beendet und war aufgestanden, um ebenfalls einen Blick auf die Liste zu werfen.
    »Äh, sehr gute Arbeit, Fräulein Ritter«, sagte er und nickte. »Auch Ihre Idee mit dem Rauschgiftdezernat. Aber Sie müssen nicht gleich den offiziellen Weg

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