Die Akte
zeitweise. Und über der Erde sahen die Dinge auch nicht gerade rosig aus. Die U-Bahn konnte kaum schlimmer sein.
Sie wartete an der richtigen Stelle, zusammen mit einer Gruppe von betrunkenen, aber anständig gekleideten Teenagern, und ein paar Minuten später kam der Zug. Er war nicht überfüllt, und sie ließ sich auf einem Sitz in der Nähe der Mitteltüren nieder. Schau auf den Boden und halt deine Tasche fest, befahl sie sich immer wieder. Sie schaute auf den Boden, beobachtete aber durch ihre dunkle Brille die anderen Fahrgäste. Es war ihr Glücksabend. Keine Straßenpunks mit Messern. Keine Bettler. Keine Perversen, jedenfalls keine, denen man es ansah. Aber für einen Neuling war es trotzdem nervenaufreibend.
Die betrunkenen Kids stiegen am Times Square aus, und sie verließ an der nächsten Haltestelle schnell den Zug. Sie hatte die Penn Station noch nie gesehen, aber jetzt war nicht die Zeit für eine Besichtigung. Vielleicht konnte sie irgendwann wiederkommen und einen Monat hier verbringen und die Stadt bewundern, ohne ständig Ausschau halten zu müssen nach Stummel und dem dünnen Mann und irgendwelchen anderen Leuten, die hinter ihr her waren. Aber nicht jetzt.
Sie hatte fünf Minuten und fand ihren Zug, als gerade zum Einsteigen aufgefordert wurde. Diesmal setzte sie sich in den hinteren Teil des Wagens und beobachtete alle Mitreisenden. Sie fand keine bekannten Gesichter. Bestimmt, bitte, bestimmt hatten sie sich auf dieser Zickzack-Flucht nicht an sie gehängt. Ihr Fehler war wieder die Kreditkarte gewesen. Sie hatte in O’Hare vier Tickets mit American Express gekauft, und irgendwie wussten sie, dass sie in New York war. Sie war sicher, dass Stummel sie nicht gesehen hatte, aber er war in der Stadt, und natürlich hatte er Freunde. Es konnten zwanzig von ihnen sein. Aber sicher wusste sie überhaupt nichts.
Der Zug fuhr mit sechs Minuten Verspätung ab. Er war halb leer. Sie holte ein Paperback aus ihrer Tasche und tat, als läse sie.
Eine Viertelstunde später hielt der Zug in Newark, und sie stieg aus. Sie hatte Glück. Vor dem Bahnhof standen Taxis, und zehn Minuten später war sie am Flughafen.
34
E s war Samstagmorgen, die Queen war in Florida und holte Geld von den Reichen, und draußen war es klar und kühl. Er hatte lange schlafen und dann, wenn er aufgewacht war, Golf spielen wollen. Aber es war sieben Uhr, und er saß in Anzug und Krawatte an seinem Schreibtisch und hörte sich Fletcher Coals Vorschläge an, was sie in dieser oder jener Sache unternehmen sollten. Richard Horton, der Justizminister, hatte mit Coal gesprochen, und jetzt war Coal nervös.
Jemand öffnete die Tür, und Horton kam allein herein. Sie gaben sich die Hand, und Horton ließ sich auf der anderen Seite des Schreibtisches nieder. Coal stand dicht neben ihm, und das irritierte den Präsidenten erheblich.
Horton war schwerfällig, aber aufrichtig. Er war weder dumm noch langsam, er überlegte sich nur alles sehr genau, bevor er handelte. Er dachte über jedes Wort nach, bevor er es aussprach. Dem Präsidenten gegenüber war er loyal, und auf sein gesundes Urteilsvermögen konnte man sich verlassen.
»Wir erwägen ernsthaft die formelle Untersuchung der Morde an Rosenberg und Jensen vor einem Schwurgericht«, verkündete er gewichtig. »In Anbetracht dessen, was in New Orleans passiert ist, meinen wir, dass dies unverzüglich geschehen sollte.«
»Das FBI führt eine Untersuchung«, sagte der Präsident. »Sie haben dreihundert Agenten auf den Fall angesetzt. Weshalb sollten wir da auch noch mitmischen?«
»Gehen sie auch dem Pelikan-Dossier nach?« fragte Horton. Er kannte die Antwort. Er wusste, dass Voyles in diesem Moment mit Hunderten von Agenten in New Orleans war. Er wusste, dass sie mit Hunderten von Leuten geredet und Unmengen von nutzlosem Beweismaterial gesammelt hatten. Er wusste, dass der Präsident Voyles aufgefordert hatte, die Finger von der Sache zu lassen, und er wusste, dass Voyles dem Präsidenten nicht alles erzählte.
Horton hatte dem Präsidenten gegenüber das Pelikan-Dossier nie erwähnt, und die Tatsache, dass sogar er über dieses verdammte Ding Bescheid wusste, war ausgesprochen ärgerlich. Wieviel Leute wussten noch darüber Bescheid? Vermutlich Tausende.
»Sie gehen allen Hinweisen nach«, sagte Coal. »Sie haben uns vor fast zwei Wochen eine Kopie davon übergeben, also gehen wir davon aus, dass sie es tun.«
Das war genau das, was Horton von Coal erwartet hatte. »Ich
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