Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
die ganze Burg, nur gelegentlich gestört vom hellen Klang des Klingenspiels, wenn irgendwo zwei besonders fanatische Novizen trotz der Hitze eine Fechtübung machten.
Er kannte sie gut, all die Geräusche, denen er seit Jahren lauschte. Längst hatte er begonnen, ihnen Bilder zuzuordnen. Sich Karren vorzustellen, die auf den Hof fuhren. Und Menschen, wo er nur Stimmen kannte. Er dachte sich Gesichter aus. Ja, ganze Lebensgeschichten erfand er zu den Stimmen.
So oft hatte er den alten Einäugigen darum gebeten, dass er eine Leiter in die Zelle stellte. Ahtap wollte an dem Fenster stehen können. Er wollte nicht Gefangener einer Welt sein, die nur aus weißen Wänden, einem wandernden Lichtfleck und einem winzigen Stück Himmel hinter vergitterten Fenstern bestand.
Er wollte nicht in einer Welt leben, in der er ein Gespräch mit dem hinkenden Ritter der Einsamkeit vorzog. Einer Welt,
die er nur noch belauschen konnte. Er lachte bitter. Drei Schweine konnte er an ihrem Quieken deutlich von den anderen unterscheiden. Selbst zu den Schweinestimmen hatte er sich Gestalten ausgedacht. Die lauteste gehörte Schwarte, dem Eber, einem übellaunigen Kerl mit großen, braunen Flecken. Am liebsten lag er in einer schlammigen Pfütze … Und dann war da Rosa. Sie war für eine Sau erstaunlich sauber, von zartem Rosa. Sie war Schwartes Liebling. Und dann war da noch die Dicke. Sie hatte ein sehr sinnliches Quieken. Er hörte sie besonders oft nachts.
Ahtap lachte jetzt laut. Schweine, die sinnlich quiekten … Er wurde langsam verrückt. So wie der verdammte Troll! Auf seine eigene Art … Von Essen träumte er nicht. Zu essen bekam er reichlich. Sogar genug Wein, um sich zu betrinken, wenn er es nur wollte. Sie hatten herausgefunden, dass sie ihm mit Essen nicht so sehr zusetzen konnten. Sie waren klug, diese verfluchten Ritter.
Ahtap starrte auf den Lichtfleck an der gegenüberliegenden Wand. Sie wussten genau, wie sie ihn packen mussten. Er begann zu schreien.
»Hier bin ich! Hört ihr? Hier! Oben im Turm! Ihr müsst zum Turm hinaufkommen. Ich bin nicht unten in den Kerkern. Ich lebe noch. Hierher. Hier bin ich, Ahtap, Kundschafter der Königin!«
DER WEISSE RITTER
Die Welt war ein Schleier hinter Tränen und Rauch. Gishild wollte sich beherrschen, sie wollte nicht so erbärmlich wirken. Sie war die Prinzessin des Fjordlands! Die Erbin des Throns. Wenn ihr Vater und Roxanne nicht in all den Jahren andere Kinder gezeugt hatten …
Nein, das konnte nicht geschehen sein. Morwenna, die Elfe, die ihren kleinen Bruder Snorri ins Leben geholt hatte, hatte geweissagt, dass Roxanne keine Kinder mehr haben würde. Aber vielleicht hatte ihr Vater sich eine andere Frau genommen?
Sie ritten an einem toten Novizen vorbei. Sie kannte den Jungen mit dem schmalen Gesicht und dem rabenschwarzen Haar nur vom Sehen. Nächsten Sommer hätte er die goldenen Sporen bekommen. Jetzt erwartete ihn nur noch das steinerne Bett im Turm seiner Lanze.
Ollowain hob sein Schwert und gab den Reitern das Zeichen zum Abrücken. Gishild kannte ihn aus den Sagen des Fjordlands. Einst hatte er an der Seite ihres Ahnen Alfadas gekämpft. Als Kind hatte sie ihn ein paar Mal von Ferne gesehen. Gewiss hatte er all dies hier veranlasst. All die Elfen ins Herz des … Gishild schluckte. Feindesland konnte sie Valloncour nicht mehr nennen. Zu lange hatte sie hier gelebt. Warum geschah all das auf diese Weise? Warum war Silwyna nicht gekommen, um sie verstohlen in einer Neumondnacht fortzubringen? Warum mussten so viele sterben? Sie konnte es einfach nicht begreifen.
Ein Elfenritter griff nach den Zügeln ihres Pferdes und führte sie neben sich her. Gishild ließ es geschehen. Der
Krieger brachte sie ganz nach vorn, an die Spitze des kleinen Reiterzuges, neben Ollowain.
Dort war auch Yulivee. Die Elfe wirkte entrückt. Oder war sie zornig? Sie spielte auf einer kleinen Flöte und sah einfach durch Gishild hindurch. Auch Ollowain musterte sie nur kühl und sagte kein einziges Wort.
Der Rauch, der vom Himmel gefallen war, wurde dichter. Er spannte sich wie ein riesiges Tuch zwischen den Elfen und den Pikenieren, die auf die Festwiese marschierten. Einen flüchtigen Augenblick lang sah Gishild den Patriarchen Leon. Honoré und Drustan waren an seiner Seite. Hatten die Ritter sie erkannt? Was würden sie von ihr halten?
Sie schob trotzig das Kinn vor. Es war egal! Sie war nicht freiwillig nach Valloncour gekommen. Nur Luc … Auch er musste sie für ihren
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