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Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman

Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman

Titel: Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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der Elfenritter. Wir laufen gerade in den Hafen von Vahan Calyd ein. Du wirst hier in dieser Kabine bleiben. Du wirst nicht herumlaufen oder gar versuchen zu fliehen. Ich kenne deinen Ruf, Gishild Gunnarsdottir, und habe vorgesorgt. Wahrscheinlich
wird es dir den Tag über übel sein, und dir wird schwindelig werden. Dein Körper muss sich an die schwüle Hitze gewöhnen. Manche schaffen das nie. Das Klima hier im nördlichen Waldmeer ist Menschen nicht sehr zuträglich. Wenn der Tag der Dämmerung weicht, komme ich wieder, um dich zu holen.« Sie deutete auf ihre Kleider auf dem Stuhl. »Und wenn du klug bist, wirst du nicht das Gewand der Erzfeinde Albenmarks tragen.«
    Morwenna ging ohne ein weiteres Wort der Erklärung. Sie ließ Gishild allein mit ihren Erinnerungen und Ängsten.

VON LEICHEN UND LÜGEN

    Gishild war wütend. Sie hatte den Tag in Angst verbracht. Die wenigen Augenblicke mit Morwenna hatten ausgereicht, sie wieder ein Kind sein zu lassen. Sie hatte sogar geweint. Sie schämte sich dafür, ja, sie hasste sich. Sie durfte nicht so leicht aus der Fassung zu bringen sein! Eines Tages würde sie Königin werden. Dann musste sie in der Lage sein, in jeder nur denkbaren Situation ihre Fassung zu bewahren!
    Der Anblick Morwennas hatte so viele längst begrabene Gefühle zurückkehren lassen. Die Trauer um ihren Bruder. Erinnerungen an glückliche Augenblicke ihrer Kindheit. Und vor allem die Erinnerung an ihren Vater. Er war die meiste Zeit fort auf Kriegszügen gewesen, und doch hatte sie sich stets von ihm geliebt gefühlt. Sie vermisste seine Blicke. Er war stolz auf sie gewesen. Sogar wenn sie etwas angestellt
hatte und er mit ihr schimpfte, konnte sie den Stolz in seinen Augen sehen. Diese bedingungslose Liebe vermisste sie am meisten von allem.
    Gishild warf einen Blick auf das Kleid, das über der Lehne des schweren Stuhls vor dem Kartentisch hing. Ein Kobold hatte es zur Mittagsstunde gebracht. Es hatte die Farbe, die geschälte Äpfel annahmen, wenn man sie nicht sofort aß. Es war leicht, und es saß so gut, wie ihr noch nie ein Kleid gepasst hatte. Sie hatte es kurz anprobiert. Der Stoff streichelte ihre Haut, ein Gefühl, das sie erregte. Was hätte sie dafür gegeben, wenn Luc sie in diesem Kleid hätte sehen können!
    Gishild lächelte melancholisch. Luc … Dann straffte sie sich. Sie trug ihr Ordensgewand und darüber ihr Kettenhemd. Rapier und Dolch waren um ihre Hüften gegürtet. Die Kleider waren schwer. Der Stoff war gewoben, um einen in einem nassen Herbst in Valloncour zu wärmen. Ihn hier in dieser fremden Welt zu tragen, grenzte an Folter. Er scheuerte auf ihrer schweißnassen Haut. Aber sie wollte sich nicht von Morwenna vorschreiben lassen, was sie zu tragen hatte. Sie war die Prinzessin des Fjordlands! Diese Elfe hatte ihr nichts zu sagen.
    So stand Gishild vor der versperrten Tür und wartete. Eine schillernde Fliege summte durch die weite Kabine und verschwand dann vor dem bunten Glasfenster. So schön das Fenster war, es ließ die Stadt jenseits der Scheiben verschwimmen. Undeutlich erkannte Gishild mächtige Türme. Auf manchen schienen Bäume zu wachsen. Die meisten waren wohl ganz aus weißem Stein errichtet … Fremdartig sahen sie aus, die Türme mit Kuppeln, weiten Bogenfenstern und Terrassen, die wie Treppenstufen übereinander gestaffelt lagen.

    Die Tür öffnete sich. Morwenna war zurückgekehrt. Sie trug ein schlichtes weißgraues Kleid. Ihr Haar war hochgesteckt. Ihr Gesicht wirkte härter als am Morgen, die Linien klarer. Sie schien erschöpft zu sein.
    »Willst du damit sagen, dass du eine von ihnen bist?«, fragte die Elfe ruhig.
    »Ich will damit sagen, dass ich in Fragen meiner Garderobe selbst entscheide. Nicht mehr und nicht weniger.«
    Die Elfe hob eine Augenbraue. Eine winzige Geste nur, und doch hätte sie mit Hunderten Worten ihre Verachtung nicht deutlicher ausdrücken können. »Komm mit mir, Prinzessin Gishild Gunnarsdottir. Du wirst erwartet.«
    »Von wem?«
    »Von deinem Schicksal. Und glaube mir, du hast mit deiner Garderobe die falsche Wahl getroffen. Doch nun komm. Es bleibt keine Zeit mehr.«
    Sie stiegen die Treppe zum Hauptdeck empor. Das riesige Schiff lag verlassen. Außer einigen seltsam bunten Vögeln auf den Rahen war keine lebende Seele zu sehen. Die Hitze hier draußen war noch viel bedrückender als in der Kabine. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Beine nur noch weiches Wachs waren und ihre Kraft kaum für hundert Schritte

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