Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
auch allein gehen.«
»Bitte, Gishild … Es ist in meinen Augen eine Dummheit. Aber ich werde mit dir kommen.«
»Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann wärest du jederzeit bereit, auch Dummheiten zu begehen.«
»Verdammt, ich komm doch mit! Was willst du denn noch?«
»Dass du gern mitkommst! Manchmal verstehst du die einfachsten Dinge nicht.«
Luc atmete tief ein und hielt erneut die Luft an. Jetzt nichts mehr sagen, ermahnte er sich in Gedanken. Gar nichts!
»Wir werden mittschiffs über Bord steigen«, sagte Gishild, nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten.
»Aber ich dachte …«
»Dass wir an den Wachen vorbei geradewegs zum Baldachin spazieren? Hältst du mich für blöd? Komm jetzt!«
Luc biss die Zähne zusammen. Nichts sagen. Einfach nichts sagen! Das hatte er sich anders vorgestellt, der Ritter einer Prinzessin zu sein. Sie würden darüber reden müssen, wie sie ihn behandelte. Das ging so nicht … Aber nicht jetzt. Er würde einen guten Augenblick abpassen müssen, in dem sie gerade nicht in kriegerischer Stimmung war. Vielleicht nachdem sie sich das nächste Mal geküsst hätten … Er war besser geworden mit seinen Küssen. Sie mochte das … Er auch. Es gab so ein wunderbar warmes Gefühl. Am liebsten würde er … Nein, jetzt war sie bestimmt nicht in der Stimmung zu küssen. Heute hatte sie nur Unsinn im Kopf!
Sie schlich voran und bewegte sich lautlos wie eine Katze. So sehr sich Luc auch anstrengte, ihm war es unmöglich, so leise wie sie zu sein. Was die Elfen ihr wohl sonst noch beigebracht hatten?
Sie erklommen den Aufgang zum Hauptdeck. Gishild gab ihm ein Zeichen zu verharren.
Das passte ihm nicht! Es kam ihm irgendwie falsch vor, von einem Mädchen geführt zu werden. Doch er sollte nicht so denken. Schließlich war Lilianne unbestritten die beste
Heerführerin. Es war anders in der Neuen Ritterschaft. Aber es kam ihm falsch vor!
»Komm«, hauchte sie ihm zu und schlich geduckt über Deck.
Ein paar Herzschläge, und sie waren bei der Reling. Der Regen hatte nachgelassen, und es war stockfinster.
Lautlos glitt Gishild über die Reling.
Luc folgte ihr. Er hielt sich wie sie am Handlauf fest und stemmte die Füße gegen die Bordwand. Hand um Hand hangelten sie sich am Schiffsrumpf entlang.
Bald brannten ihm Finger und Arme. Obwohl seine Stiefelsohlen aufgeraut waren, fand er kaum Halt am nassen Schiffsrumpf. Sein ganzes Gewicht hing an seinen Armen. Gishild schien keine Schwierigkeiten zu haben. Scheinbar mühelos hangelte sie sich weiter. Was sie konnte, konnte er auch! Er würde nicht um eine Pause bitten!
Nach einer Ewigkeit erreichten sie endlich das Heck. Vergoldete Schnitzereien machten es hier leichter, Halt zu finden.
Plötzlich verharrte Gishild. Was war los? Angestrengt lauschte Luc in den Regen. Schritte! Unmittelbar vor ihnen! Wenn die Wachen sich an die Reling lehnten, waren sie verloren. Sollte er sie vielleicht ablenken? Er könnte ein Stück zurückhangeln und sich an Bord ziehen. Das würde sie ablenken, und Gishild könnte ungesehen unter den Baldachin gelangen. Der schwere Samtvorhang vor dem abgegrenzten Stück des Achterdecks war zugezogen. Selbst die Wachposten standen lieber im strömenden Regen, als sich dort unterzustellen. Dies war der Bereich des Kapitäns. Man durfte dort nur mit seiner ausdrücklichen Billigung sein. Gishild hatte ihm nicht einmal gesagt, warum sie dorthin wollte. Diese Heimlichtuerei mochte er nicht. Sie erzählte auch
kaum vom Königspalast, in dem sie aufgewachsen war. Oder von den Elfen und Trollen, die ihre Lehrer gewesen waren.
Luc sah zu ihr hinüber. Manchmal konnte er sich nicht erklären, warum er sich in sie verliebt hatte. Das Haar fiel ihr in breiten Strähnen ins Gesicht. Sie sah nicht gerade umwerfend aus, wie sie von der Reling hing. Und trotzdem war er entschlossen, ihr zu helfen.
Er löste die schmerzende linke Hand und hangelte sich ein Stück von seiner Prinzessin fort. Sie sollte ihren Willen haben. Und er würde seine Haut hinhalten. Das war die Aufgabe von Rittern!
Gishild sah plötzlich in seine Richtung und schüttelte entschieden den Kopf.
Er durfte nicht zulassen, dass sie ihn aufhielt. Luc spannte seine schmerzenden Arme. Er würde sich gleich jetzt über die Reling ziehen. Dann hatte sie gar keine andere Wahl, als in Deckung zu gehen.
Der Regen hörte von einem Augenblick zum andern auf. Kalter Wind schnitt durch Lucs nasse Kleider. Ganz deutlich hörte man jetzt die Schritte der
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