Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
offen. Schillernde Fliegen schwirrten in der Luft. Von der Küche wehte der Wohlgeruch frischen Apfelkuchens heran. Wahrscheinlich wurde er für das Fest der neuen Ritter gebacken.
Gishild fiel eine Stiege auf, vor der zwei Wachen standen.
Dort war sie mit ihren Löwenbrüdern und -schwestern zum Kerker des Trolls hinabgestiegen. Warum waren dort Wachen aufgestellt? Damals war dort niemand gewesen. Die Albenkinder saßen hinter Holz und Eisen gefangen. Sie benötigten keine Wächter.
Gishild wich hinter den Heuhaufen zurück. Ob Luc dort unten war? Die Wachen würden sie gewiss nicht vorbeilassen. Und wahrscheinlich würden sie ihr auch keine Auskunft geben. Sie nagte an ihrer Unterlippe. Was konnte sie tun? Es mochte ein Dutzend Erklärungen geben, warum die beiden Ritter dort standen. Man sah ihnen an, dass ihnen die Hitze zu schaffen machte. Sie trugen Rüstungen, als wollten sie in die Schlacht ziehen. Von Kopf bis Fuß in Stahl gewandet, hatten sie nur die Visiere hochgeklappt. Gewiss waren sie durstig.
Gishild war sich bewusst, dass keineswegs sicher war, ob Luc dort unten im Verlies eingekerkert saß. Er mochte sich genauso gut in einem der Türme befinden, wo es viele kleine Gastkammern gab. Aber ihr Herz sagte ihr etwas anderes. Und ihr Bauch. Da war wieder das klamme Gefühl der Angst. Die Kälte, die nahendes Unheil ankündigte. Es blieb nicht mehr viel Zeit, wenn sie ihm helfen wollte.
Sie zog Feuerstein und Stahl aus dem kleinen Lederbeutel an ihrem Gürtel und rückte dichter an die Mauer heran. Unsicher blickte sie sich um. Die beiden Wachen konnten sie hier nicht entdecken. Der Hof war verlassen. Auch an den Fenstern war niemand zu sehen.
Der Heuhaufen lag neben solidem Mauerwerk. Aber die Pferdeställe waren nah. Die Tiere würden verrückt werden vor Angst, wenn sie den Rauch witterten. Es würde ein Riesenspektakel geben. Aber eigentlich konnte nichts Schlimmes geschehen …
Wieder sah Gishild sich um. Der Stall und zwei Schuppen am Hof waren mit Holzschindeln gedeckt. Wenn dort Funken landeten … Aber nein! Funken allein würden doch nicht die Kraft haben, eine Holzschindel zu entzünden. Oder doch? Sie würde es wagen. Sie musste die Wachen ablenken. Sie musste hinunter zu den Kerkern. Zu Luc!
Stahl schabte über Feuerstein. Das Geräusch kam Gishild in der Mittagsstille erschreckend laut vor. Funken stürzten in das Heu. Wieder schlug sie den Stein gegen den Stahl. Orangefarbene Glut fraß sich an den trockenen Halmen entlang. Ein dünner, weißer Rauchfaden stieg aus dem Heu. Und plötzlich loderte eine Flamme auf. So lang wie ein kleiner Finger fraß sie sich gierig durch die Halme und wuchs weiter.
Gishild hechtete hinter einen alten Karren, der nur ein Stück entfernt stand. Hinter einem Speichenrad verborgen, beobachtete sie die zwei Ritter. Sie merkten nichts!
Das Herz schlug der Prinzessin bis zum Hals. Von ihrem Versteck aus konnte sie gut sehen, wie das Feuer um sich griff. Größer und größer wurde die Flamme. Und plötzlich schlug sie hoch über den Heuhaufen hinaus. Was hatte sie getan! »Feuer!«
Endlich hatten die beiden Ritter das Unglück entdeckt. Sie kamen schreiend herbeigelaufen. Mit ihren langen Schwertern begannen sie den Heuhaufen auseinanderzureißen, um den Flammen ihre Nahrung zu nehmen.
Gishild rannte vom Karren zum Eingang der Ställe und verschwand im stickigen Halbdunkel. Die Pferde wieherten. Manche schlugen mit den Hufen gegen die Holzwände ihrer Boxen. Knechte kamen aus dem Sattelraum gestürmt.
»Dort auf dem Hof!«, rief Gishild ihnen entgegen. »Feuer! Helft! Holt Wasser! Schnell!«
Keiner fragte, woher sie kam, oder versuchte sie aufzuhalten. Ein langer, graublauer Rauchfaden zog in den Stall.
Die Knechte rannten nicht hinaus. Sie befreiten die Pferde und trieben sie auf den Hof hinaus. Auch Gishild riss die Türen der Boxen auf. In blinder Angst rannten die großen Schlachtrösser auf den Hof hinaus. Und mitten zwischen ihnen lief die Prinzessin. Von ihren Leibern geschützt, kam sie bis zur Treppe. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete sie hinab.
Beinahe wäre sie gestürzt. Sie schrammte ihre Handflächen am rauen Mauerwerk auf, als sie sich fing. Ihre Stirn schlug gegen den Stein. Benommen blickte sie zum Eingang des Kerkers. Das Tor stand offen. Fackeln brannten an den Wänden. Sie trat ein. Schon nach wenigen Schritten vernahm sie den Lärm vom Hof nur mehr undeutlich. Ein kalter, modriger Geruch lag in der Luft, der sich
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