Die Albenmark: Elfenritter 2 - Roman
finden.«
»Ruf deine Männer zusammen! Wir brauchen Boote und Fackeln. Viele Fackeln. Und Reiter an beiden Ufern. Sie können flussabwärts suchen.« Gishild! Alles zog sich in ihm zusammen, als er an die eisige Kälte des Wassers dachte.
ABSCHIED
Jetzt würde sie niemals erfahren, wie Luc sich entschieden hätte. Das war das Einzige, was sie wirklich bedauerte. Ihre Wade brannte, als sei sie von einem glühenden Dolch durchbohrt. Die Strömung hatte sie gepackt und trieb sie davon. Sie war zu sehr geschwächt gewesen, um noch einmal in den Fluss zu steigen. Das hatte nicht gut gehen können. Da halfen keine Elfentricks, die sie gelernt hatte.
Ihre Gedanken flossen träge. Auch sie schienen von der Kälte gelähmt. Der Tod erschreckte sie nicht. Sie war endlos enttäuscht. Verraten von Fenryl und Silwyna … Dass beide nicht zu ihr zurückgekehrt waren in all den Jahren! Das Fjordland brauchte sie wohl nicht mehr. Vielleicht hatten Vater und Roxanne ein neues Kind. Einen Sohn. Aus irgendeinem Grund war sie unwichtig geworden. Ins Fjordland würde man sie nicht mehr zurückholen. Und hier wollte sie nicht sein. Das war ihr in den letzten Augenblicken so klar geworden wie in all den Jahren zuvor nicht. Sie opferten Menschen für ein Kriegsspiel. Das war verrückt! Und sie hatte daran Anteil gehabt. Entweder würde sie Arturo finden oder dabei zugrunde gehen. Ihr Leben lag nun in Luths Hand. Sollte er entscheiden, wohin sie gehörte.
Wenn sie den Capitano retten könnte, würde sie bleiben. Sie hätte niemals erlauben dürfen, dass er mitkam, hätte keinen auf den verborgenen Grat im Wasser führen dürfen! Sie selbst hatte Luc die Idee eingeflüstert. Er war unschuldig. Aber sie hatte um die Gefahren gewusst und sie ignoriert, weil auch sie gewinnen wollte. So sehr hatten die Ordensritter sie schon vereinnahmt.
Ihre Lippen formten ein stummes Gebet an den Schicksalsweber. Sie ließ sich treiben. Die Unterströmung zog sie hinab in ein Reich aus Kälte und Schatten. Sie kämpfte nicht dagegen an. Es war so leicht, sich fallen zu lassen. Alles Kämpfen aufzugeben.
Undeutlich erkannte sie eine Gestalt vor sich im Wasser. Ein treibender Schatten auf dem Weg ins Reich der Toten, so wie sie.
Sie bekam einen Stiefel zu packen. War es Arturo? Weit fort sah sie eine Pforte aus Licht. Waren das die Tore der Goldenen Hallen? Warteten ihre Ahnen auf sie? Wenigstens dieses Stück Heimat würde ihr erhalten bleiben. Lichtumstrahlte Gestalten erwarteten sie im Tor. Sie winkten ihr zu.
Der Stiefel vor ihr zuckte. Lebte der Capitano noch? Sie musste ihn höher schieben. Sein Kopf musste aus dem Wasser schauen.
Ihre Ahnen durften jetzt nicht gehen. Einen Augenblick noch, dann würde sie wiederkehren. »Wartet …« Ihr Ruf wurde erstickt, und ihr Mund füllte sich mit eisigem Wasser.
NUR ZWEI WORTE
Als seine Mutter ihn in die Schwarze Kunst einweihte, hatte Tiranu manches gesehen, was andere, Schwächere, den Verstand gekostet hätte. Es war lange her, dass er Angst empfunden hatte. Angst wie jetzt in diesem Augenblick. Er konnte nicht sagen, was in Skangas Höhle geschehen war.
Welche Kraft hatte sie versehentlich geweckt, als sie nach dem Lebenslicht des toten Söldners gegriffen hatte?
Nicht einmal gehört hatte Tiranu von so etwas. Von Albenmark konnte man nur durch das Netz der Goldenen Pfade in die Welt der Menschen gelangen. Anders ging es nicht! Niemand war je auf einem anderen Weg gereist! Und doch hatte ihn etwas aus der Höhle der Schamanin hierher gezogen, eine Macht, die über den Albenpfaden stand. Die sich freier bewegte. Eine Macht, die Skanga Angst eingeflößt hatte. Gab es den Gott der Menschen? Konnte etwas Wirklichkeit werden, wenn eine halbe Welt über Jahrhunderte daran glaubte? Reichte Glaube allein, um etwas zu erschaffen?
Tiranu wusste, dass es die Goldenen Hallen der Götter gab, jenen Ort, an den nach dem Glauben der Fjordländer ihre toten Helden gingen. Waren auch sie durch Glauben erschaffen worden? Es hieß immer, die Götter der Fjordländer hätten keine wirkliche Macht. War das ein Irrtum? Ihre menschlichen Verbündeten glaubten fest daran, dass ihr Leben und Schicksal in der Hand ihrer Götter lag. Vielleicht waren die Gelehrten Albenmarks allzu überheblich, wenn sie sich erlaubten, darüber zu lachen.
Es war längst Nacht geworden. Viele Stunden schon war Tiranu in Richtung des Berges gewandert, den er in seiner Vision gesehen hatte. Kein Mond stand am Himmel. Es war eisig kalt.
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