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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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schlafen gehen, und Edward hing vor dem Computer. Anne setzte sich eine halbe Stunde zu ihm, wollte reden mit ihm, um herauszubekommen, was für Zukunftspläne er wirklich hegte. Doch ihm war nichts zu entlocken. Als sie merkte, dass er mehr auf den Bildschirm starrte, als sie anzusehen, gab sie ihren Plan auf und ging wieder nach unten. Sie holte sich ein Glas Wasser und machte es sich auf dem Sofa mit ein paar Zeitschriften gemütlich. Wie friedlich das Haus sein konnte! Anne genoss die Ruhe. Eine Sekunde überlegte sie, weil sie ihrer Mutter noch einen Rückruf schuldig war, sich endlich bei ihr zu melden. Aber als sie auf die Uhr sah – es war mittlerweile halb elf und Paul machte einen Krankenbesuch –, legte sie das drahtlose Telefon wieder beiseite, ihre Eltern schliefen sicher längst.
    Zur selben Zeit befand sich Pavel auf dem Weg nach Hause. Sein Freund Kai, der wie er im selben Betrieb Azubi war und am Vorabend nicht hatte mitfeiern können, war nach Feierabend auf die Idee gekommen, ihn auf eine Pizza einzuladen.
    Es war ein lustiger Abend. Das Mädchen, das die mittelmäßigen Pizzas servierte, eine zwanzig Jahre alte Italienerin, war süß, und sie schlossen Wetten ab, wem von ihnen es gelingen würde, sie abzuschleppen. Als um halb zehn der Freund des Mädchens auftauchte und sich am Tresen herumlümmelte und sie abknutschte, war die Sache gegessen. Sie tranken ihr Bier aus und machten sich jeder auf den Heimweg.
    Pavel hatte die Anlage im Auto voll aufgedreht und sang gemeinsam mit Tom Jones: «Sex bomb ... sex bomb, you're my sex bomb ...» Seine Laune war bestens. Er war achtzehn, endlich. In ein paar Monaten würde er seine Lehre beendet haben. Sein Meister hatte ihm angedeutet, dass er übernommen werden s0llte. Endlich eigenes Geld. Zurück nach Hamburg, weg aus diesem Kaff, wo er doch nur Mamis Sohn war und sich unterordnen musste. Endlich eine eigene Bude. Halte dich bereit, Leben: Ich komme!
    Er raste durch die Nacht.
    Sein Vater hatte nachmittags angerufen und ihm nachträglich zum Geburtstag gratuliert.
    «Pavel, tut mir Leid, dass ich's vergessen habe, aber du weißt ja: viel los bei mir!»
    «Macht nix, Papa!», hatte er geantwortet, während er sich mit dem Telefon am Ohr gegen die Wand mit den Spezialwerkzeugen lehnte. «Wie geht's dir denn?»
    «Ganz gut, danke. Habe vorgestern deine Mutter getroffen, hat sie es erzählt?»
    «Nee. So was sagt sie ja nie.»
    «Und wie läuft es bei euch so? Im berühmten Ahrensburg?»
    «Och ... eigentlich okay. Uns geht es allen auch prima. Wir vermissen dich.»
    «Ich vermisse euch noch mehr.»
    «Sehen wir uns mal wieder? Es ist eine Menge passiert, Papa. Aber das geht nicht am Telefon ...»
    «Deswegen rufe ich auch an: Ich wollte dich ein Wochenende einladen, anlässlich deines Geburtstags, dich und deine Brüder, jetzt, wo meine Wohnung endlich vorzeigbar ist, da machen wir es uns schön, wie in alten Zeiten, was meinst du?»
    «Wäre geil. Wann denn?»
    «Mach einen Vorschlag, Pavelotzki. Ich bin zu allen Schandtaten bereit. Zeit habe ich im Augenblick mehr als genug.»
    «Kein neues Kinderbuch?»
    «Hmm ... es ist sehr ruhig, im Augenblick. Zu ruhig, um ehrlich zu sein!»
    «Nächstes Wochenende?»
    «Wunderbar.»
    «Ich spreche mit Edward und mit Luis, aber der ist sowieso begeistert, wenn er hört ...»
    «Besprich es vor allen Dingen mit eurer Mutter. Ich will keinen Ärger deswegen. Hörst du?»
    «Super, Papa. Ich rufe dich morgen an.»
    «Mach das, Junge. Und nochmals: Alles Gute für das neue Lebensjahr.»
    Danach hatten sie aufgelegt. In Gedanken ließ Pavel jetzt noch einmal das Telefongespräch mit seinem Vater ablaufen: Er klang eigentlich wieder sehr gut, das Traurige, das die letzten Male, wenn sie telefoniert hatten, in seiner Stimme lag, war verschwunden. Er hatte sich für ihn interessiert, an seinen Geburtstag gedacht, er wollte ihn und seine Brüder sehen, vielleicht würde jetzt alles gut. Er liebte seinen Vater, das spürte er deutlich, liebte ihn, auch wenn sie nie miteinander darüber gesprochen hatten, wenn es nie ein «Ich-habe-dich-lieb» zwischen ihnen gegeben hatte. «Wie geht es dir?» und «Ich vermisse dich!»: Das war das höchste der Gefühle, und genau genommen waren das ja auch Liebeserklärungen.
    Der Alte. Pavel musste lächeln. Jetzt bin ich erwachsen, jetzt werde ich mich mehr um ihn kümmern.
    Es war dunkel draußen, auf der Bundesstraße herrschte wenig Verkehr. Pavel trat aufs Gaspedal. Er war müde,

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