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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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nicht.»
    Keine fünf Minuten später wurden sie auf die Straße hinauskomplimentiert und saßen wieder im Auto.
    «Wusstest du das Mama?»
    «Nein.»
    Edward startete den Wagen. «Die ist ja ein richtiger Brecher.»
    «Die ist voll nett!», rief Luis von hinten, während Edward mit Vollgas durch die Straße fuhr.
    Anne kriegte es mit der Angst zu tun. «Das ist hier Wohngebiet, Edward, ich bitte dich!»
    «Schon gut.»
    «Ich darf jetzt jedes Wochenende zu Papa kommen!»
    «Na, das überlegen wir uns nochmal.»
    Edward hielt an einer roten Ampel und setzte den Blinker nach links.
    «Eigentlich würde ich mit euch, wenn wir schon mal wieder hier sind zusammen, zum Friedhof fahren.»
    «Okay!» Edward drückte den Blinkerhebel in die andere Richtung.
    «Zu Thole?», fragte Luis.
    «Zu Thole, ja. Ich glaube, das ist eine gute Idee.»
    «Papa sagt, genau genommen habe ich es besser gehabt als er.»
    «Genau genommen ...», antwortete Edward und gab Gas, «... hat Papa da Recht.»
    Ebba war, ungewöhnlich genug für sie, zu früh. Genau genommen war sie nicht einmal eingeladen worden zu der Nachfeier anlässlich Edwards Geburtstag. Sein Sternzeichen war Löwe. Mitte August hatte er seinen neunzehnten begangen, nur mit ein paar Freunden, denn er hatte keine große Lust zu feiern, weil ihm die Trennung von Colleen immer noch nachschlich. Jetzt war Ende September, ein Freitag, und für diesen Abend hatte Anne Konzertkarten für die Hamburger Musikhalle organisiert. Die Hamburger Symphoniker spielten Wagner. Obwohl Annes Ältester längst erwachsen war und aus seiner geringen Sympathie für klassische Musik keinen Hehl machte, hatte sie ihm den Konzertbesuch zum Geschenk gemacht, denn sie ließ niemals locker – sie wollte ihn (und auch Paul) immer noch an ihren Lieblingskomponisten, wie sie es nannte, «heranführen». Als Ebba das hörte, hängte sie sich kurzerhand dran und ließ sich von ihrer Sekretärin eine Karte organisieren. Es war kurz nach sieben. Während Paul einen Parkplatz suchte (was seine Laune noch weiter verschlechterte), stand Ebba vor dem Konzerthaus auf dem großen Platz, in ihrem kleinen Schwarzen, das sie sich extra für diesen Abend bei Chanel ausgesucht hatte. Es war sündhaft teuer gewesen. Sie sah allerdings hinreißend aus, sodass es jedes Geld der Welt wert war. Sie fühlte sich wohl. Sie war vorher zum Friseur gegangen, sie hatte sich dezent geschminkt, trug ihre berühmte Perlenkette mit passenden Ohrringen und hatte ein feines, pudriges Parfüm aufgelegt. In ihrer schmalen schwarzen Handtasche, dessen Verschluss ein Krokodil aus vergoldetem Silber bildete, steckte ein Geschenk für Edward. Sie hatte Manschettenknöpfe für ihn entdeckt, schlichte silberne Knöpfe mit der Aufschrift: Return to Tiffany.
    Langsam füllte sich der Platz mit Menschen. Japanische Musikstudentinnen kamen herangehuscht mit Partituren unter dem Arm; Ehepaare, die seit Jahrzehnten Abonnements hatten, stolzierten gemächlich über den Platz, manche hatten sich untergehakt, andere gingen schweigend nebeneinander her, wieder andere pflegten das Ritual, dass der Mann ein paar Schritte vor seiner Frau ging, dafür aber ihre Handtasche trug. Eine Gruppe junger Leute, weniger vornehm gekleidet, standen rauchend und quatschend vor den geschwungenen Holztüren des schönen, alten Gebäudes und warteten auf Freunde. Eine Truppe von Schwulen tauchte auf. Sie waren Opernkenner, das war unübersehbar. Auf ihren Gesichtern lag ein unerklärlicher Dauerausdruck völlig unbegründeten Beleidigtseins, sie trugen Glitzerwesten, lila Schleifen, Schnauzbärte, Herrenhandtaschen und Fotoapparate. Einer Kompanie gleich, der man den Befehl gegeben hatte «die Augen rechts», schwenkten sie ihre Köpfe in Richtung eines knackigen Studenten, der mit dem Fahrrad angeschossen kam und der auch Ebba sofort gefiel. Sie hatte nichts gegen Schwule, im Gegenteil. Zwei ihrer engsten Freunde waren schwul, außer mit Anne konnte sie mit niemandem so gut und offen reden wie mit ihnen, vor allem über Männer und über Sex. Aber Ebba hatte etwas gegen Schwule, die durch Aussehen und Gehabe rund um die Uhr darauf hinweisen wollten, dass sie anders waren, Ebba hatte etwas gegen solche Vereinsmeierei, sie hatte etwas gegen Berufsschwule, wie sie die Jungs nannte. Und die da drüben waren welche, eindeutig. Und dann auch noch heiraten wollen, dachte sie, denn sie hatte ihre bösartigen fünf Minuten, ein bisschen Ungerechtigkeit muss doch noch bleiben, im

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