Die Albertis: Roman (German Edition)
Leben.
Endlich, es war inzwischen kurz vor halb acht und die Besucher längst alle in die Musikhalle hineingeströmt, tauchte auch Anne auf, ihre Männer im Schlepptau.
«Wir haben keinen Parkplatz gefunden, sorry!», rief Anne ihr noch im Laufen entgegen. Atemlos blieb sie vor ihr stehen.
«Ist nicht unser Tag!», erklärte Paul. Tatsächlich schien heute alles schief zu laufen, es hatte Komplikationen ohne Ende gegeben. Eine alte Patientin von ihm, die er sehr mochte, war am Morgen gestorben, tot umgefallen, ausgerechnet in seiner Praxis. Auf dem Weg zu einem kranken Kind war er einem anderen Autofahrer mit seinem Wagen hintendrauf gefahren, an einer Ampel, die rot gewesen war. Das Finanzamt hatte ihm eine unerwartet hohe Steuernachzahlung ins Haus flattern lassen. Und dann hatte auch noch Juliane gekündigt, seine Sprechstundenhilfe. Nach über fünf Jahren.
«Wartest du schon lange?», fragte Anne ihre Freundin und küsste sie auf die Wange.
«Ich habe mir herrlich die Zeit vertrieben», erwiderte Ebba, «man glaubt gar nicht, wer alles Wagner liebt!»
Mit einem Händeschütteln begrüßte sie erst Paul, dann Edward, beide sahen sehr elegant aus. Paul trug zu einer Flanellhose und bordeauxroten Budapestern einen blauen Blazer, zweireihig, mit Goldknöpfen, und ein hellblaues Hemd. Edward hatte einen schmalen grauen Gucci -Anzug an, den er sich von dem Geburtstagsgeld seiner Großeltern gekauft hatte. Dazu hatte er breite schwarze Schnürschuhe an, die Ebba an Elbkähne erinnerten, und ein dünnes schwarzes Poloshirt. Er sah gut aus, irgendwie erholt, als käme er aus der Sommerfrische. Das Nichtstun draußen in Ahrensburg schien ihm ausgesprochen gut zu bekommen. Anne beäugte ihre Freundin, die Edward mit einem Kuss nachträglich gratulierte. Ebbas Kleid lag eng an, man konnte ihre straffen, großen Brüste sehen und ihre Brustwarzen, die durch den feinen Stoff hindurchzustechen schienen. Anne musste daran denken, wie sie früher, als sie Mitte zwanzig gewesen und mit Wolf ausgegangen war und irgendetwas Enges angezogen hatte, vorher immer ihre Brustwarzen mit Tesafilm überklebt hatte, damit man sie nicht sehen konnte. Bei der Erinnerung daran schmunzelte sie: Was man nicht alles anstellte, für Unsinn, im Laufe seines Lebens.
Paul guckte auf seine Armbanduhr: «Wir haben noch genau anderthalb Minuten, um unsere Plätze einzunehmen. Ich finde, diese Zeit sollten wir nutzen!» Er lief los in Richtung Eingang, die drei folgten ihm.
Anne zog aus der Tasche ihrer Kostümjacke die Karten.
«Reihe zwölf!», rief sie und schwenkte die Billetts in der Luft.
«Mitte!», erklärte Paul, während er die schwere Tür aufhielt. «Das wird die anderen freuen!»
«Und uns erst!», ergänzte Edward.
«Da ist die Akustik am besten!», erklärte Anne und verschwand in der Musikhalle.
Zweieinhalb Stunden später saßen die vier auf Drehhockern am Tresen eines japanischen Restaurants. Vor ihren Augen liefen auf Fließbändern mit Klarsichtfolie abgedeckte Teller vorbei, auf denen Sushis lagen. Eine japanische Kellnerin zapfte Bier. Drei Köche in weißen Kitteln und mit Hauben auf den Köpfen breiteten, stoisch ihre schmalen Augen auf die Arbeitsflächen gelenkt, die schwarzen Blätter von Nori-Algen aus, auf die sie klebrigen Reis gaben, mit rohem Lachs, Shrimps oder Gurken belegten, zusammenrollten und dann mit den blitzenden Klingen ihrer Messer wieselflink in daumendicke Scheiben schnitten. Aus zischendem Öl wurden Drahtkörbe mit Tempura – gebackene Gemüse und Hummerkrabben – gehoben. Zwei Geschäftsleute, die auf der gegenüberliegenden Seite des halb runden Tresens saßen und heftig und laut über Strategien diskutierten, bekamen dampfende Nudelsuppe in blau gesprenkelten Porzellanschälchen serviert. An einem Holztisch saß ein Liebespaar und tauchte mit Stäbchen geschickt rohen Fisch, der hier Sashimi hieß, in Sojasauce und fütterte sich gegenseitig damit. Edward hatte sich gewünscht, dass sie hierher gingen. Er liebte diese Küche. Anne studierte etwas hilflos die Karte, während Ebba sich eine Zigarette anzündete. Paul bestellte eine Flasche französischen Weißwein.
«Also, Anne», sagte er und drehte sich zu ihr hin, «ich fand das ziemlich anstrengend, deinen Wagner.»
«Frag mich mal!», meinte Edward und erhaschte einen Sushi -Teller, der ihm gefiel.
«Als ich nach zwei Stunden auf die Uhr geguckt habe, waren zehn Minuten vorbei!», scherzte Paul.
Ebba lachte laut auf und hielt ihre
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