Die Albertis: Roman (German Edition)
Dann verließen sie das Lokal.
«Wo steht dein Wagen, Ebba?», fragte Anne.
«Ich bin mit dem Taxi ...»
«Dann nehmen wir dich mit und bringen dich schnell.» Paul hakte Anne unter. «In eure alte Ecke!»
«Ich bin überhaupt noch nicht müde!» Edwards Augen fixierten Ebba.
«Na ja, wenn man jeden Tag bis mittags in die Kissen pupt ...», sagte Anne. «Aber wir müssen morgen um sechs raus. Also bitte.»
«Warum gehen wir nicht noch tanzen, oder so?» Ebba fragte das so beiläufig wie möglich, so, als richte sich die Frage an diesen oder jenen, nur nicht an Edward.
«Ohne mich. Tut mir Leid», erklärte Paul. «Erst Wagner und dann tanzen: Das ist mir einer zu viel. Mindestens.»
«Wir beide?» Edward zeigte erst auf Ebba und dann auf sich. «Du und ich?»
«Ja, wenn du dich mit so einer alten Scharteke traust?»
«Wenn du dich mit so einem jungen Spund traust?», entgegnete Edward.
«Ja, aber morgen früh, da ...» Anne schien das nicht recht geheuer zu sein.
«Was, Mama?»
«Lass sie doch, Anne.»
«Von mir aus, also ... ich meinte ja nur, dass ...»
«Ich liefere ihn heil und gesund wieder bei euch ab!», beendete Ebba das Gespräch und umarmte ihre Freundin. «Ist versprochen!»
Paul und Anne gingen. Ebba und Edward sahen ihnen nach. Dann guckten sie sich an. Der Wind fegte durch die Straße und stellte Edwards sorgfältig geölte Haare auf halb acht. Ebba bekam eine Gänsehaut. Man merkte, dass es mit dem Sommer endgültig zu Ende ging. Sie hätte gut einen Mantel vertragen können. Ein Auto fuhr vorbei. In der Nähe quietschte die Hochbahn über die Gleise. Die Kellnerin kam aus dem Lokal heraus und ließ vor den beiden Fenstern links und rechts der Eingangstür krachend die Eisenrollläden herunter. Aus dem Fenster einer Dachwohnung kam laute Jazzmusik.
«Ich hasse Diskotheken, Edward, ich bin zu alt für so was. Ich habe Füße wie eine Nilpferdkuh, und das Letzte, was ich will, ist, dass du mich nachher mitleidig in irgend so einem Schuppen anguckst, wie ich mit aufgelösten Haaren und mit Schweißrändern unter meinem Chanel- Kleid vom Barhocker rutsche. Tu mir das nicht an.»
«Ich hasse sie auch. Das war Pavel, der so was mag.»
«Ich wollte einfach nur noch ein bisschen mit dir allein sitzen und reden, weißt du?»
Er grinste: «Zu mir können wir nicht.»
«Dann gehen wir zu mir?»
An der Ecke tauchte ein Taxi auf und hielt an der roten Ampel. Ebba formte mit dem Zeigefinger und Daumen ihrer rechten Hand einen Ring, führte ihn zwischen die Lippen und pfiff. Der Taxifahrer gab mit einem kurzen Aufblenden der Scheinwerfer zu verstehen, dass er es gehört hatte. Als die Ampel auf Grün umsprang, rollte er heran. Galant hielt Edward Ebba die hintere rechte Beifahrertür auf und schlug sie zu, nachdem sie eingestiegen war. Dann ging er um den Wagen herum, öffnete die Tür und nahm neben Ebba Platz. Der Fahrer hatte einen weißen Turban auf dem Kopf und trug einen langen, fiseligen grauen Bart. Er drehte sich fragend um.
Um seine Hautfarbe zu kriegen, muss ich vier Wochen lang in St. Barth in der Sonne liegen, dachte Ebba. «Zu ihm können wir nicht wegen seiner Mutter», erklärte sie dem ahnungslosen Taxifahrer, der nicht verstand, wovon die elegante Lady mit dem schönen Bubi da an ihrer Seite redete. «Wir fahren zu mir.» Dann nannte sie ihre Adresse. Er fuhr los.
«Ich werde am fünften November dreiundvierzig. Ich hoffe, du weißt, worauf du dich einlässt.»
«Wir werden alle mal älter, Ebba. Deswegen muss man das Leben ja auch genießen!»
KAPITEL 16
Am liebsten Mozart, nachts um zwölf
Als Ebba aus dem Bad kam, hatte sie nur noch ihren Seidenkimono an. In weichen Wellen fielen ihre Haare auf die Schultern. Sie sah plötzlich weniger streng aus, wirkte jünger, zarter, verletzlicher.
Edward hatte sie noch nie so gesehen, und wie Ebba so dastand, nur vom Licht beschienen, das von hinten aus dem Badezimmer auf ihren Körper fiel, musste er unwillkürlich an die Venus von Sandro Botticelli denken. Nur die Muschel fehlte.
Er lag nackt auf dem Bett. Unverschämt die Jugend, dachte Ebba heiter, hat die Arme hinter dem Kopf verschränkt, als könne ihn nichts und niemand verletzen, tarnt sich weder mit dem Laken noch mit einem letzten Kleidungsstück, einer Unterhose beispielsweise, weil er sich makellos fühlt, guckt mich an, frech und erwartungsvoll, als wäre diese Szene hier die normalste von der Welt. Dabei bin ich doppelt so alt und die beste Freundin seiner Mutter
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