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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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bereden wollte, wegen unserer Zukunft.»
    Der Wasserkessel pfiff. Sybille stellte das träge summende Gas ab und goss das Wasser in die Kanne.
    «Unsere Zukunft?» Sie stellte den Kessel auf den Herd zurück, drehte sich um und sah ihn blitzend an. «Wir haben doch keine Zukunft!»
    «Hält Ruth deine Spitzfindigkeiten besser aus als ich?»
    Sie nahm drei Tassen aus dem Schrank und stellte sie wortlos auf den Tisch. Er verteilte sie.
    «Kuchen haben wir nicht!», erklärte Sybille. «Ich muss abnehmen.» Dabei war sie schlank wie eh und je. Auch wenn man es mittlerweile nicht auf den ersten Blick sah, denn sie hatte sich in ihrem Kleidungsstil dem von Ruth angepasst. Sie trug ein weites dunkelbraunes Omen -Kleid aus Baumwolle, um ihren Hals baumelte eine dreireihige Kette aus Holzperlen. Sie war ungeschminkt. Das hätte es früher bei ihr nie gegeben, dachte Paul. Sie legte ein silbernes Teesieb auf Pauls Tasse und goss ihm Tee ein, dann füllte sie ihre Tasse und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
    «Arbeitest viel, was?» Sie stützte ihren Kopf auf beide Hände und schaute ihn an.
    «Warum?»
    «Siehst abgespannt aus.»
    «Stell dir vor, Juliane hat gekündigt.» Er nahm einen Schluck Tee. «Nach all den Jahren.»
    «Willst du Kandis?», fragte sie, und ihre Stimme wurde etwas weicher.
    «Nein», erwiderte er lachend, «ich muss abnehmen.»
    «Das finde ich auch.»
    Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Er sah an sich herunter und strich sich über seinen Norweger-Pullover. «Eigentlich halte ich mein Gewicht.»
    «Du verträgst immer noch keine Kritik.»
    «Wenn ihr eine Waage hättet, könnte ich mich jetzt draufstellen, und du würdest merken ...»
    «Paul! Ich bitte dich! Was willst du? Warum bist du hier?»
    «Ich möchte die Scheidung.»
    Einen Moment lang herrschte Stille. Der Wasserhahn tropfte. Aus der Werkstatt drang das Kreischen der Kreissäge herüber.
    «Und ich möchte sie anständig durchziehen», fuhr er fort. «Ein alter Bekannter von mir, Dr. Kötter, würde ein, nun nennen wir es: Agreement aufsetzen, ich zahle natürlich weiter für dich, wie bisher, und du kriegst entsprechend des Wertes des Hauses, abzüglich Belastungen und was sonst noch so da ist: die gerechte Hälfte. Dann dachte ich mir ...»
    Sie unterbrach ihn: «Du denkst doch wohl nicht, dass ich jetzt hier mit dir in der Küche herumschachere?»
    «Natürlich nicht, Sybille. Aber irgendwann müssen wir die Sache ja mal klären. Das Jahr geht zu Ende, und im nächsten Jahr möchte ich ...»
    «Frei sein.»
    «So. In der Art, ja.»
    «Eigentlich müsste ich dich hassen, Paul. Seltsamerweise kann ich das nicht. Aber ärgern tue ich mich dennoch. Und weißt du, warum? Weil du dein Leben lang: immer mit allem so durchkommst. Du bist ein womanizer, du wickelst deine Mutter um die Finger, du hast mich um die Finger gewickelt, und jetzt vermutlich Anne. Nicht zu reden von deinen Töchtern. Dir fehlt im Grunde die Erfahrung: dass sich dir mal etwas oder jemand in den Weg stellt. Alles geht immer leicht bei dir. Selbstverständlich. Immer so, wie du es willst.» Mit einem großen, ruhigen Zug trank sie ihre Tasse leer. «Aber okay. Ich bin einverstanden.»
    «Danke.»
    «Und ich werde mir etwas überlegen, irgendetwas, das dir wehtut, dir etwas in den Weg stellen. Bereite dich darauf vor. Habe es dir ohnehin viel zu leicht gemacht.»
    Bevor er etwas darauf antworten konnte, kam Ruth und setzte sich zu ihnen. Eine halbe Stunde verbrachten sie zu dritt am Küchentisch, dann sagte Paul auf Wiedersehen und fuhr zurück.
    Anne sah er für den Rest des Nachmittags nicht mehr. Sie hatte sich nach oben zurückgezogen, schlief eine halbe Stunde und nahm anschließend ein Bad. Paul erledigte in seinem Arbeitszimmer Telefonate und ging die Post durch. Dabei kam er ins Träumen, sah durch das Fenster hinaus in den Garten, auf die struppige, blattlose Hecke, hinter der das Nachbarhaus hervorlugte. Eigentlich hat sich doch alles zum Guten gewendet, dachte er. Ich werde im nächsten Jahr geschieden, und dann heirate ich Anne. Schade, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann, ein gemeinsames Kind wäre wunderbar, wie ein Neuanfang, wann kann man das schon mal: das Leben noch einmal von vorne beginnen. Ich bin ihr dankbar, meiner Anne, sie hat es gut gemacht, sie hat es mir leicht gemacht, auch meinen Kindern. Meine Kinder, deine Kinder, unsere Kinder: Nun sind wir eine Familie, und es ist nur ein Glück, dass Sybille auch ihren Frieden gefunden

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