Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
Vom Netzwerk:
sie käme.
    «Passt es gerade nicht? Wo bist du? Es ist so laut.»
    «Beim Friseur.»
    Friseur. Bernd verdrehte die Augen. Friseur: Das hörte er gar nicht gerne. Er hatte zehn Jahre seines Lebens hart daran gearbeitet, einen eigenen Salon aufzubauen, Bernd Baumann, das war ein Begriff in Hamburg, und nächstes Frühjahr würde er eine Filiale in seiner Heimatstadt München eröffnen, Bernd Baumann Munich, und er war eben kein Friseur, auch kein Coiffeur, er war Stylist, darauf legte er Wert. Eine Kundin, deren Haare bereits fertig aufgebläht waren, kam eilig zurück, und ihr kniekurzer Zobel wippte, als sie ihm einen Fünfzigmarkschein zusteckte, den er schnell in seiner Hosentasche verschwinden ließ.
    «Danke Bernd, Sie haben mein Leben gerettet!», flötete die Dame im Zobel und wogte davon.
    «Viel Spaß auf Sylt!», rief Bernd ihr nach. «Und guten Rutsch.» Er lächelte Ebba im Spiegel an, und Ebba, die immer noch am Handy zuhörte, lächelte zurück.
    Anne hatte gemerkt, dass es der falsche Moment war, um mit ihrer Freundin zu reden. «Eigentlich ...», erklärte sie kurz, «... wollte ich dir auch nur danke sagen. Dass du Wolf erzählt hast, ich wäre bei dir gewesen, gestern Abend.»
    Ebba gab sich kühl «Ist schon in Ordnung! Auch wenn ich es nicht gerne getan habe.»
    «Tja, dann.»
    «Tja, dann.»
    Bernd zählte die Zacken an seinem Hornkamm. Ebba nickte. «Bin gleich fertig!», flüsterte sie ihm zu und sagte dann zu Anne: «Du, ich muss Schluss machen, ich halte den ganzen Betrieb hier auf.»
    «Komm gut rein, ins neue Jahr, Ebba.»
    «Du auch. Ihr auch. Tschüs.»
    «Ebba?»
    Ebba war genervt. «Ja?», fragte sie zurück, etwas zu laut.
    Der Yorkshire-Terrier bellte.
    «Ruhig, Whisky!», sagte die Dame und sah Ebba von der Seite entschuldigend an. «Er ist so nervös in letzter Zeit.»
    Anne blieb unbeirrt hartnäckig. «Ebba, können wir uns heute Abend nicht treffen?»
    «Heute Abend? Bei uns in der Bank ist ...» Sie besann sich. «Wann ?»
    «Um acht?»
    «Gut. Wo?»
    «Bei dir?»
    «Okay, aber ich habe keine Zeit zu kochen oder so.»
    «Ich bringe was mit.»
    «Also dann.» Ebba beendete das Gespräch und widmete sich wieder ihrem Stylisten.
    Anne hielt noch einen Moment den Telefonhörer am Ohr. Sie saß auf ihrem Bett im Schlafzimmer. Sie war froh, ihre Freundin erreicht zu haben und sie treffen zu können, endlich konnte sie den leidigen Streit von damals aus der Welt räumen. Noch im alten Jahr. Vor allen Dingen aber wollte sie mit Ebba reden und ihr alles, was in der letzten Zeit passiert war, erzählen.
    Als sie am Abend vor Ebbas Haus stand und klingelte, war Anne nervös. Ein wenig hatte sie Angst vor dieser Begegnung; es war wie vor einer Prüfung, einer Bewerbung, einem Rendezvous. Sie hatte das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Sie kannte diese Muster noch von ihren Eltern her: Ebba hatte ihr die Zuneigung und Liebe entzogen, und nun lag es an ihr, sie wieder zurückzugewinnen. Aber bin ich wirklich schuld an unserem Krach, dachte sie, nur weil ich sie um einen Freundschaftsdienst gebeten habe? Warum hat Ebba so reagiert, warum diese lange Funkstille, immer haben wir über alles geredet, auch über die Dinge, die uns am anderen nicht gefallen haben.
    «Ja?» Ebbas Stimme schepperte aus der Gegensprechanlage.
    «Ich bin's.»
    «Oh!» Es klang überrascht. «Anne! Warte!»
    Der Summer ertönte, das Flurlicht ging an, Anne schulterte ihre Basttasche, drückte die Eingangstür auf und trat in das verspiegelte Entree mit seinen flachen, breiten Marmorstufen. Frisch gestrichene Wände in blassem Gelb, sorgfältig restaurierte Stuckaturen an der Decke, dezent graue Kokosfaserläufer auf den Treppenstufen, keine Fahrräder, Kinderwagen, herumfliegenden Werbeprospekte, kein Kohlgeruch, kein plärrendes Radio, kein Streit hinter den Türen: Alles wirkte großbürgerlich, gepflegt und entspannt. So wohnte man in dieser Stadt, wenn man es sich leisten konnte. Gleich links befand sich Ebbas Wohnung. Die Eingangstür bestand aus zwei Flügeln, es dauerte eine Weile, bis einer der beiden geöffnet wurde. Da stand Ebba in verwaschenen, ausgebeulten Jeans und einem weiten T-Shirt, barfuß und ungeschminkt, und das Einzige, was an ihr perfekt aussah, war ihre Frisur.
    «Entschuldige!», sagte Ebba zerstreut und legte ihre Hand auf den Mund, in einer Mischung aus Überraschung und Sich-selber-zum-Schweigen-bringen-Wollen. «Ich habe es total vergessen! Komm herein!» Sie ließ die Tür ins

Weitere Kostenlose Bücher