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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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dazu.»
    «Es ist so ...» Er brach ab.
    Sie fixierte ihn. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Sie lauerte.
    Er senkte den Kopf, fuhr sich mit den Händen durch die Haare, atmete schwer, guckte wieder hoch, sah sie an, wie sie so dastand, seine Frau, die er einmal so begehrt und geliebt hatte und die ihm jetzt so gleichgültig geworden war, wie ein Möbelstück, mit dem man täglich lebt und an dem man unachtsam vorbeigeht. Aber Sybille war eben kein Möbelstück. Sie war für ihn ein vertrauter Mensch, eine intelligente Frau, die Mutter seiner Töchter, die Partnerin an seiner Seite. Bisher. Aber so liefen die Dinge eben im Leben, und eigentlich war dies eine ganz normale Geschichte: Sie hatten ihre gemeinsame Liebe irgendwo auf ihrer langen Reise verloren und es nicht einmal bemerkt. Seine Gedanken wanderten zu Anne, bei der er sich endlich wieder geborgen fühlte. Wie oft, dachte Paul, versagen wir uns Gefühle, wie lange doch muten wir uns zu, unsere Wünsche und Sehnsüchte zu verbergen, wie viele Menschen leben mit einem Traum, den sie sich nicht zu erfüllen trauen, weil sie niemals gelernt haben, mutig zu sein. Ja, Mut! Das war es. Im Grunde konnte er nicht einmal erklären, warum Anne besser für ihn war als Sybille. Er wusste es einfach. Und sie, Anne, wusste es auch. Sie gehörten zusammen. Ich bin jetzt alt genug, ich habe lange gezögert und verzichtet: Jetzt bin ich mal dran, und mehr noch. Jetzt ist es endlich an der Zeit, dass aus dem Ich ein Wir wird. Wir. Anne und ich.
    Langsam, stockend, aber ehrlich, begann er zu berichten. Von seiner Liebe zu Anne, die er sich nicht getraut hatte, einzugestehen. Von jenem Spaziergang im Sommer. Von den heimlichen Treffen, dem Hin und Her, Ja und Nein und der Entscheidung, endlich mit der Wahrheit herauszukommen. Die Reise nach Capri verschwieg er. Sybille hätte es nur noch mehr verletzt. Schließlich erzählte er von Wolfs Vermutung und Frage, seiner Antwort, ihrer Schlägerei.
    Ruhig, scheinbar gelassen hörte sich Sybille alles an. Nur einmal, als er gesagt hatte, er wolle mit Anne zusammenleben und sie mit ihm, hatte sie sich an der Arbeitsfläche festgekrallt, als müsse sie etwas festhalten, was längst verloren war. Eine Menge hätte sie antworten und sagen können, etwa, dass er ja bei alledem vergessen habe, an seine Töchter zu denken, oder wie er glaube, dass es weitergehe und ob er nicht fürchte, dies sei alles nur eine vorübergehende Affäre, doch sie behielt ihre Gedanken für sich. Sie kannte Paul gut genug. Sie wusste, dass die Würfel gefallen waren. Einen Moment musste sie lächeln, weil der Schmerz, den sie bei seinen ersten Sätzen empfunden hatte, so plötzlich, wie er gekommen war, wieder aufhörte. Es tat ja gar nicht weh! Liebte sie ihn etwa nicht? Hatte sie so etwas schon immer befürchtet, sie, die wachsame, lebenserfahrene Frau, die sich in Wahrheit als eine Schachspielerin sah, die jeden Zug des anderen schon lange im Voraus erahnte? Aus jedem Streit und nach jedem Problem, das sich ihr in der Vergangenheit in den Weg gestellt hatte, glaubte sie, als Siegerin hervorgegangen zu sein, weil sie stets gut gewappnet in den Kampf ging. Schon vor Jahren, als er ein Verhältnis mit der Stewardess hatte, danach mit der Arzthelferin und mit der Frau aus dem Golfclub. Lächerlich, wie er so dasaß und sich Leid tat, Schmerzen hatte und sicher dachte, sie würde nun mindestens so leiden wie er. Aber sie, Sybille, war gegen so etwas geschützt, gefeit, sie hatte schließlich irgendwann beschlossen, dass ihr ein Mann nie wehtun könne, und daran gedachte sie sich zu halten.
    Je länger sie zuhörte und nachdachte, desto größer wurde ihre Verachtung. Und ihre Wut. Na bitte. Sollte er doch. Sollte er doch diesen ganzen Laden hier auf den Kopf stellen, alles verändern, umbauen, abreißen, aber von nun an: ohne sie. Sie riss sich zusammen und schwieg.
    «Der arme Wolf!», sagte sie nach einer ganzen Weile und kurz darauf: «Du bist ein Arschloch. Und ich hoffe, du weißt es, Paul!»
    Mit diesen Worten zog sie ihre Schuhe an – ihre Füße waren eiskalt geworden, und verließ die Praxis. Als Paul ihr wenig später in das gemeinsame Schlafzimmer folgte, um ihr anzubieten, im Gästezimmer nebenan zu schlafen, hatte sie sich bereits Decke, Kissen, Buch und Lesebrille geschnappt und ihr Lager nebenan aufgeschlagen. Ohne jede weitere Erklärung, ohne zu klagen, ohne zu fragen, einfach so.

KAPITEL 7
    Einmal Hölle und zurück
    Sie hatte phantastisch

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