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Die Albertis: Roman (German Edition)

Die Albertis: Roman (German Edition)

Titel: Die Albertis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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das Beleidigtsein zuständig, zu ihrer Mutter passte das gar nicht. Wahrscheinlich hatte er hinter ihr gestanden und sie angestachelt. Sie verstaute das Handy in ihrer Tasche und ging zur Tür.
    «Erster!», brüllte Luis, drängelte sich an den anderen vorbei, an seinem Vater, seiner Mutter und an Pavel, der stehen geblieben war, um seinen Gürtel zuzuschnüren. Irgendwie sah er, wann immer man ihm begegnete, zerzaust und unausgeschlafen aus. Unrasiert und fern der Heimat! War eine stehende Rede von Annes Vater, wenn er ihm begegnete.
    Wolf verschloss sorgfältig die Tür und folgte seiner Familie. «Du hast vergessen, dich zu kämmen, Pavelotzki!», sagte er leise.
    «Und gewaschen hat er sich auch nicht!», rief Luis, der fast unten war.
    Der Ausflug konnte beginnen.

KAPITEL 2
    Paul
    Sommerblauer Nachmittag! Kieselkühle Luft und federleichtes Vogelsingen. Licht wie aus Milchkrügen gegossen. Sonnentupfer, blinkend, auf dem Urwalddickicht der Kastanienbäume. Darunter: Schatten, träger, müde machender, die Zeit anhaltender Schatten.
    Paul lag, nur mit einer karierten Bermuda bekleidet, auf dem Rasen seines Gartens, streckte die Arme und Beine von sich, blinzelte zur Baumkrone hoch, gähnte, rollte sich zufrieden zur Seite, schloss die Augen und träumte sich davon.
    Was träumt Paul? Er träumt davon, kein Arzt mehr zu sein, keine Familie mehr zu haben, keine vierzig Jahre alt zu sein, sondern ein Junge von siebzehn, der weder Pflichten hat noch Verantwortung trägt und keine Sorgen kennt. Es ist sein geheimster Traum, den er nicht einmal seiner Frau Sybille anvertrauen würde, ein Traum von Freiheit und Wildnis, von Fischefangen und Hasenjagd und Pilzesammeln, vom Mundharmonikaspielen auf der Wanderung durch die Wälder, vom Feuermachen in der Einsamkeit und vom Schlafen unter einem Bett aus Laub und Tannenzweigen, begleitet höchstens noch von seinem bestem Kumpel, einem, wie Wolf es einst war. Paul ist immer der Abenteurer geblieben, der er schon als jugendlicher Ausreißer war, ein Abenteurer, der sich beizeiten gefangen hat, der eingefangen wurde, nach allen Regeln der Gesellschaft, der studiert hat, geheiratet hat, reüssiert hat – und nun ohne Abenteuer dasteht und nur noch seine Träume hegt und pflegt.
    Dass Verrat die Folge dieser selbst gewählten Gefangenschaft sein und dass dies der Tag des Verrats werden wird, dass er der Verräter ist und sein Freund Wolf das Opfer, davon träumt Paul nicht. Er ahnt es nicht einmal.
    »Paul?» Das war die Stimme von Sybille. Er drehte sich auf den Rücken, öffnete die Augen. Sybille stand direkt über ihm. Sie war ungeschminkt, ihr Gesicht sah so glatt und frisch aus, als würde sie Werbung für eine Antifaltencreme machen. Ihr Haar hatte sie zum Pferdeschwanz zusammengebunden.
    Paul hatte bei ihr im Laufe der Zeit eine versteckte exhibitionistische Seite entdeckt. Sie liebte es, ihre Figur, der man die Geburt der zwei Töchter nicht ansah, herauszustellen. Die Knöpfe der weißen Bluse, die sie zu den Jeans trug, hatte sie nur halb zugeknöpft. Die nackten Füße steckten in Wildlederslippern. Um ihre linke Fessel spannte sich ein Goldkettchen. Sonst hielt Sybille nicht viel von Schmuck, selbst ihr Ehering steckte nicht auf ihrem Finger, sondern lag in einer Seifenschale im Badezimmer. Seit Jahren schon.
    Paul lächelte. «Ich weiß. Du brauchst nichts zu sagen.»
    Mit einem Satz sprang er hoch. Er war ein sportlicher Mann, obwohl er fast nie Sport trieb. Er war fast so groß wie Wolf, aber schlank und muskulös. Sein Gesicht war kantig, er hatte ein kräftiges Kinn, das Auffälligste aber war die Nase: Wie von Michelangelo gemeißelt, gerade gezogen, ebenmäßig und von zwei Nasenflügeln geprägt, die so geschwungen waren, dass sie ihm etwas irritierend Selbstbewusstes, ja, fast Arrogantes gaben. Paul hatte wache Augen, fast ein wenig kalt wirkten sie, und strahlten die Aura eines klugen, analytischen Mannes aus. Ihre Farbe war nur ein paar Nuancen heller als sein graues Haar, das er kurz geschnitten trug.
    Sie gingen über den Rasen, der teppichdicht eine sanfte Anhöhe bildete, auf die Terrasse zu. Sie sprachen dabei, ohne stehen zu bleiben, ohne sich anzusehen.
    «Wo sind die Mädchen?», fragte er.
    «Ich habe keine Ahnung. Sie sind nach dem Mittagessen weg ... in ihren Zimmern, raus ... woher soll ich das wissen
    Sie weiß nie, wo ihre Kinder sind, dachte er. «Na ja, war ja nur 'ne Frage.»
    «Verstehe ich schon», entgegnete sie, «den Subtext kenne

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