Die Albertis: Roman (German Edition)
wegen ziemlich unerfreulich ablief – angeregt, dass die drei Söhne ihren Vater regelmäßig alle vierzehn Tage treffen sollten. Wolf vermisste seine Jungs schrecklich. Er war dankbar für den Vorschlag. Als sie Edward, Pavel und Luis davon berichtete, vertrat Pavel genervt die Ansicht, er fände es «zum Kotzen», so etwas einer Regelung unterzuordnen, fügte sich aber. Anfangs. Doch dann war einmal Luis krank, ein anderes Mal musste Pavel aufgrund seiner Arbeit absagen, schließlich passte es Wolf nicht in den Kram, weil er eine Illustration fertig machen musste oder auf Reisen war, und am Ende verlief der schöne Plan im Sande. Anne hielt sich künftig raus. Sie fand, die vier müssten es unter sich ausmachen. Dazu kam, dass sie Angst vor dem Kontakt zu Wolf kriegte. Bei den wenigen Telefonaten, die sie führten und die sich nicht vermeiden ließen, weil es noch vieles zu regeln gab, wurde er von Mal zu Mal aggressiver. Unverhohlen machte er ihr jetzt dir Vorwürfe, auf die sie im Stillen immer gewartet hatte. Mehr noch: Er nahm sich einen Anwalt. Es ging um Unterhaltszahlungen. Wolf vertrat die Ansicht, da sie ihn verlassen und ein neues Zuhause bei einem wohlhabenden Arzt gefunden habe, er jedoch als freischaffender Künstler nur über ein geringes und zudem unregelmäßiges Einkommen verfüge, müsse er für seine Söhne nichts oder fast nichts zahlen. Anne aber war auf seine Unterstützung angewiesen, denn sie besaß nichts außer einem Sparbuch. Doch da war nicht viel drauf. Am liebsten hätte sie auf alles verzichtet. Stolz jedoch konnte sie sich nicht leisten. Anne fürchtete, sich auch einen Anwalt nehmen zu müssen. Sie hasste Anwälte. Sie machten ihr Angst. «Anwälte sind der Sieg der Intelligenz über die Gerechtigkeit!», hatte Ebba zu ihr gesagt, und damit hatte sie Recht. Anne war betroffen, dass die Sache eine solche Wendung nahm. Wolf war finanziellen Dingen gegenüber immer gleichgültig gewesen, ihm bedeutete Geld nicht viel. Sie hatte geglaubt, dass sie niemals über ein solches Thema würden streiten müssen. Doch offenbar benutzte er es als Vehikel, um ihr zu schaden, ja, um sich zu rächen. Anne hatte das Gefühl, als gäbe es im Hintergrund jemanden, der ihn beeinflusste, aufstachelte und heimlich die Fäden zog. Sie hätte wütend sein müssen. Konnte sie aber nicht. Das schlechte Gewissen überwog nach wie vor. Anne fühlte sich mies.
Natürlich – und zum Glück – stand ihr Paul zur Seite. Jeden Tag dachte sie: Wie gut, dass ich ihn habe. Sie liebte ihn. Wenn er zu ihr kam, schlug ihr Puls schneller und ihr Herz höher. Sprach er mit ihr, konnte es vorkommen, dass sie anfing zu stottern. Wie ein Teenager fühlte sie sich dann. Wenn sie ihn betrachtete, in Momenten, in denen er sich unbeobachtet fühlte – wenn er las, wenn er den Kamin anmachte, wenn sie gemeinsam im Garten arbeiteten –, stieg Stolz in ihr auf. Er gehörte ihr. Sie gehörte ihm. Paul war ein liebevoller Partner. Unwillkürlich verglich sie sein Verhalten mit dem von Wolf. Er überraschte Anne mit kleinen Aufmerksamkeiten. Wenn er von Patientenbesuchen wiederkam, brachte er ihr Geschenke mit. Eine CD, ein Buch, von dem er glaubte, es würde ihr gefallen, eine Blume, Champagner-Trüffel. (Die sie gemeinsam aßen, um sich anschließend lachend zu versichern, zur Strafe auf das Frühstück zu verzichten.)
Am schönsten waren die Abende, nachdem die Kinder versorgt, Frau Merk sich zurückgezogen und sie allein waren. Wenn die Holzscheite brannten, die Vorhänge zugezogen, der Rotwein entkorkt war und die Musik leise spielte, wenn er dicke Kissen auf dem Fußboden auftürmte und sie es sich darauf gemütlich machten, lachten, redeten, kuschelten – dann war die Welt für sie in Ordnung, dann war das Leben lebenswert, und die Alltagssorgen flatterten fort wie Krähen auf dem weiten Feld.
Und sie spürte, dass Paul sie respektierte, ihre stille Kraft bewunderte, die niemals nachließ, sie begehrte. Sex mit Paul: Das war Feuer und Wasser, Wind und Regen, Sturm und Stille. Noch nie hatte sie sich so leidenschaftlich einem Mann hingegeben. Selbst jetzt noch, neun Monate nach dem ersten Mal, begehrten sie sich wie am ersten Tag. Immer hatte Anne geglaubt, Sex bedeute ihr nichts, Sex sei ein abgeschlossenes Kapitel in ihrem Leben, einem gelesenen Buch gleich, das man nur noch selten aus dem Schrank zog. Jetzt wusste sie: Sex zu haben mit einem Mann, den man begehrte und liebte, bedeutete ihr alles.
Es war ein herrlicher
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