Die Albertis: Roman (German Edition)
mein Freund. Und das ist Pavel.» Sie gab ihm einen innigen Kuss auf die Wange und lachte hell auf. «Mein Bruder!»
«Hi!», sagte Stivi freundlich. «Hab schon von dir gehört.»
«Hi!», antwortete Pavel.
«Na ja, Halbbruder sozusagen!»
Verblüfft guckte Pavel Anuschka an.
«Ach lass uns den Stress vergessen!», rief sie ihm ins Ohr. «Ich war völlig krass. Tut mir Leid.»
Er wusste nicht, was er sagen sollte und nickte nur.
«Woher kennst du denn die Tanzbar?», wollte sie wissen.
«Vielleicht erinnerst du dich, dass wir schon mal hier waren? Du, ich und Edward?»
«Ja. Jaaa! Genau! Voller Blackout!», kicherte sie. «Tanzen wir?» Ohne die Antwort abzuwarten, gab sie Stivi ihr Glas und zog Pavel mit sich.
Während sie tanzten, ging Stivi zu Kappe zurück, der ihm unauffällig ein kleines, in braunes Packpapier eingeschlagenes Päckchen über den Tresen schob. Sie drückten ihre Wangen aneinander und sagten sich ein paar Sätze ins Ohr. Stivi sprach mehr als Kappe, und dieser nickte ein paar Mal heftig, und dann ließ Stivi das Päckchen in der Hosentasche seiner engen Wildlederjeans verschwinden. Er zuckte mit den Schultern, was wiederum Kappe veranlasste, sich wieder gleichmütig seinem Job zuzuwenden.
Anuschka und Pavel merkten von alledem nichts. Sie tanzten. Pavel auf dem harten Dielenboden, Anuschka auf Wolken. Pavel wunderte sich nur kurz darüber, dass Anuschka wie ausgewechselt war, er schrieb es ihrer Launenhaftigkeit zu und vermutete darüber hinaus, sie habe zu viel getrunken. Bei ihm überwog das Gefühl der Freude. Er freute sich, dass ihr Streit anscheinend beigelegt war. Er freute sich, dass sie sich hier gefunden hatten, denn er fühlte sich an diesem Abend besonders allein gelassen und unglücklich. Und freute sich, dass sie mit ihm tanzte und nicht mit diesem supercoolen Typen, den sie im Schlepptau hatte und der, das hatte Pavel sofort gemerkt, eine Haltbarkeitsdauer von höchstens zwei Monaten hatte, der war was fürs Bett, nichts fürs Herz. Aber da musste sie schließlich selbst draufkommen.
Er gab sich ganz der Musik hin und dem Gefühl. Die beiden tanzten zwei Stunden ohne Unterbrechung. Anuschka hatte eine sagenhafte Kondition. Sie schien überhaupt nicht erschöpft zu sein oder müde zu werden. Schließlich blieb er abrupt stehen und guckte auf seine Uhr. Es war kurz nach eins.
«Was ist?», rief Anuschka und tanzte weiter.
«Du, ich hau ab. Ich muss morgen früh raus, ich fahre ja sechs Stunden bis zur Arbeit oder so. Horror. Also tschüs.» Er ging von der Tanzfläche zum Tresen zurück.
Anuschka folgte ihm.
«Ich komme mit ... ich hab morgen Schule und ich will nicht, dass Dad noch saurer auf mich wird.» Sie sah zu ihrem Freund hinüber, der ein paar Meter entfernt mit Samir diskutierte, ging zu ihm und erklärte ihm, dass sie gehen wolle. Er hatte noch Lust zu bleiben, und so trennten sich die zwei mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss. Pavel versuchte, nicht hinzuschauen.
«Bin so weit!», schrie Anuschka.
«Tschüs!», brüllte Pavel zu Stivi,
«Ciao!», erwiderte der.
Dann gingen die beiden.
Die kühle Aprilluft verschlug ihnen fast den Atem.
«Wow!», sagte Anuschka und breitete ihre Arme aus. «Wow! Ich bin eine Prinzessin.»
«Ja, das bist du», meinte Pavel trocken. «Eine besoffene Prinzessin. Und kotz mir bloß nicht ins Genick, wenn du hinter mir sitzt.»
Sie begann wieder zu kichern: Wie witzig er war!
Als sie seine Vespa bestiegen, umfasste Anuschka seine Taille so, wie sie zuvor Stivis umfasst hatte, und sie knatterten los. Die ganze Fahrt über wechselten sie kein Wort. Um halb zwei kamen sie vor Pauls Villa an. Sie stiegen von der Vespa, Anuschka machte das Gartentor auf.
«Meinst du, dein Vater hat was dagegen, wenn ich es hier im Vorgarten stehen lasse?»
Anuschka holte ein Gummiband aus der Hosentasche, nahm es zwischen die Zähne, strich mit den Händen ihre Haare glatt und band sie mit dem Gummi zu einem Pferdeschwanz zusammen. «Hast du keinen Garagenschlüssel?»
Er verneinte.
«Ich gebe dir meinen.» Sie zog ihr dickes Schlüsselbund hervor.
«Wir haben noch einen Ersatzschlüssel in der Küche», erklärte sie fröhlich. «Den nehme ich mir morgen früh ...», sie guckte ihm in die Augen. «Heute früh ...»
«Danke.»
«Weißt du, dass du süß bist?»
«Weißt du, dass du launisch bist?»
«Fang nicht wieder davon an.» Sie knuffte ihn. «Du bist immer so muffelig.»
«Ich bring dann mal die Maschine weg.»
«Ja,
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