Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
Vom Netzwerk:
einen Moment fest umschlungen und legte sie, als ihre Atemzüge gleichmäßig wurden, wieder zurück in die Kissen. Dann zog er den Vorhang zu und verließ den Raum.
    Er wollte soeben die Treppe hinunter, als Minchen aus ihrer Kammer trat, die direkt neben dem Zimmer der Kinder lag. Sie trug ihr Nachthemd und hatte das Haar mit einer Schlafhaube geschützt, kleine Löckchen, sorgfältig gebrannt, lugten unter der Haube hervor. »Die Kinder haben unruhig geschlafen«, stellte sie fest. »Kein Wunder, bei dem Lärm.«
    Von unten schwoll nun ein vierhändiges Stück an, man schien aus dem Klavier die größte Lautstärke herauspressen zu wollen.
    »Sie sehen nicht gut aus, Herr Professor«, ergänzte sie. »Ist Ihnen nicht wohl?«
    »Nun, ich denke, ich habe einfach zu viel gearbeitet.« Er ging einige Stufen hinab, um Juliane zu bitten, mit diesem Getöse aufzuhören, als ihm etwas einfiel, das ihn zurückkehren ließ. »Ich möchte nicht unhöflich sein, Minchen, zumal du bereits im Nachtgewand bist. Aber erzählst du mir, was mit dem Kind geschehen ist, das du damals entbunden hast?«
    Sie zögerte kurz, bevor sie ihm antwortete. »Es ist kurz nach der Geburt gestorben. Aber … aber es war wohl besser so.«
    »Hast du jemals geheiratet?«
    |272| Minchen schüttelte den Kopf. »Es hatte sich herumgesprochen. Niemand wollte sich mit einer einlassen, die einen Bastard unter dem Herzen trug.«
    »Das tut mir leid.« Er setzte sich auf die oberste Stufe der Treppe und bat sie, neben ihm Platz zu nehmen. »Minchen, würdest du mir erzählen, was sich damals zugetragen hat? Ich weiß, dass du einen Schwur hast leisten müssen, aber es ist lange her. Hatte deine Schwangerschaft etwas mit der Verbindung zu tun, die junge Mädchen zu sich rief, um Experimente im Namen der Wissenschaft zu machen?«
    Sie sah ihn an. Erstaunt, beinahe erschrocken. »Sie wissen davon?«
    »Ja. Doch erst seit kurzem beginne ich, die Zusammenhänge zu begreifen.«
    Mit einer langsamen Bewegung setzte sich Minchen neben ihn. »Es ist viel Zeit vergangen. Beinahe ein halbes Leben.«
    Er nahm ihre Hand, um ihr ein Gefühl der Sicherheit zu geben, und es erinnerte ihn an damals, als sie auf den Stufen vor dem Haus ihrer Eltern saßen und er ihre kühle Hand in seiner ruhen ließ.
    »Sie hatten mir eine Nachricht zukommen lassen, ich solle mich im Labor einfinden«, begann sie schließlich flüsternd. »Ich dachte, ich wüsste bereits, was mich dort erwartet, es war nicht das erste Mal.« Lautes Lachen und das Geräusch vielfältiger Schritte ließ sie zusammenzucken. Sie hielt inne und sah die Treppe hinunter. Dann, als sich die Stimmen langsam entfernten, fuhr sie fort. »Doch dieses Mal war etwas anders. Es war schrecklich. Als ich aus der Betäubung erwacht bin, da stand ein Mann vor mir. Ein Mann mit entblößtem …«
    Hufeland nickte. »Ist schon gut«, sagte er und strich ihre Hand. Sie war rau, die Haut rissig.
    Tränen liefen über Minchens Gesicht. »Ich bin weggelaufen, doch er holte mich ein. Noch heute verspüre ich das Grauen, als er mich packte. Er hat gedroht, meine Familie umzubringen, wenn ich etwas sage.« Sie zog lautstark die Nase hoch. »Nun habe ich keine Familie mehr. Meine Eltern haben das Haus nicht länger halten |273| können. Sie haben den Schmerz über diesen Verlust und das Leid der Armut nicht überlebt.« Sie entzog ihm ihre Hand und wischte sich mit dem Ärmel des Nachthemds über das Gesicht. »Nach dem Erlebnis im Labor habe ich erst geglaubt, diesen Verbrechern entkommen zu sein, aber dann war ich plötzlich schwanger. Es hat Jahre gedauert, bis ich begriffen habe, dass dieser Schmerz zwischen den Schenkeln und dieses Etwas, das aus mir herauslief …« Sie stockte wieder und begann zu schluchzen.
    Hufeland nickte. »Bist du seitdem noch einmal zum Labor gerufen worden?«
    »Nein.«
    »Und der Mann, der dir gefolgt ist, hast du ihn jemals wiedergesehen?«
    Minchen nickte.
    »Wer war er?« Hatte Hufeland erwartet, Vogts Namen zu hören oder dessen Beschreibung, so war er überrascht über die Erleichterung, die er verspürte, als Minchen ihm von einem hageren, sehnigen jungen Mann erzählte, dessen Beschreibung bei ihm nur das unklare Bild eines Kommilitonen hinaufzubeschwören vermochte, an dessen Namen er sich nicht erinnerte.
    »Der Bursche hingegen, der mir immer den Trank verabreicht hatte, war irgendwann aus der Stadt verschwunden. Ein schmalbrüstiger Junge, beinahe noch ein Knabe. Ich habe ihn im

Weitere Kostenlose Bücher