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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Elektrizität beim Scheintod von Tieren. Professor Loder war so freundlich, mir den Elektrisierapparat auszuleihen.«
    |132| »Ah, von Professor Loder also. Nun, dann müssen Sie ihm ein wichtiger Student sein.« Er schnaubte verächtlich. »Sie sollten wissen, dass es sich geradezu ausschließt, bei Loder und mir gleichermaßen in Gnade zu stehen.«
    Hufeland nickte. Die Streitigkeiten zwischen Loder und Gruner waren bekannt. »Ich werde mich nach Kräften bemühen, Ihrem Anspruch dennoch gerecht zu werden.«
    »So? Dann geben Sie Obacht, was ich Ihnen beizubringen habe. Sonst könnte es sein, dass Sie es demnächst selber nötig haben, mit Hilfe dieser lachhaften Maschine wiederbelebt zu werden.«
    Es hatte wie ein Scherz geklungen, und ein paar Studenten begannen, zu feixen und zitternde Leiber zu imitieren, die im Strom der Elektrizität zuckten. Aber Hufeland war das Entsetzen nicht entgangen, das beinahe unmerklich über Vogts Gesicht gehuscht war.
    Professor Gruner indessen plusterte sich auf, schrie nach Ruhe, und augenblicklich trat Stille ein.
    »Los, Hufeland, zeigen Sie mir, wie ernst Sie es mit Ihren Studien meinen«, sagte er, wobei er eine Braue hob und die Lippen schürzte. »Bevor Sie hereinplatzten und die Vorlesung störten, sprachen wir über die Aphorismen des Hippokrates. Sie scheinen diesen Teil der Vorlesung bereits zu kennen, ansonsten wäre es nahezu fahrlässig, hier nicht rechtzeitig zu erscheinen.« Seine Augen bohrten sich in Hufelands Gesicht. »Abschnitt 2, Paragraph 43. Rezitieren Sie.«
    Hufeland schloss die Augen und suchte im Geiste die Seiten ab, die er nahezu auswendig kannte. Er antwortete mit fester Stimme. »Von denen, die sich erhängen und im Verscheiden noch aber nicht tot sind, erholen sich diejenigen nicht, welche Schaum vor dem Mund haben.«
    »Abschnitt 7, Paragraph 25.«
    »Zuckungen infolge eines Abführmittels sind lebensgefährlich.« »Abschnitt 5, Paragraph 22.«
    Hufeland zögerte kurz. »Die Wärme bewirkt Eiterung nicht bei jeder Wunde; das größte Zeichen für ihre Heilsamkeit: sie entweicht |133| und verdünnt die Haut … die Haut …« Er stockte. »Die Haut, beschwichtigt Schmerzen …«
    »Stillt Schmerzen«, rief Gruner aus, während seine große Nase bebte. »Stillt Schmerzen und beschwichtigt Starrfrost, Zuckungen und Starrkrampf, von den Beschwerden des Hauptes aber befreit sie von Kopfschwere.« Er lächelte säuerlich. »Mein lieber Hufeland, Sie sind nicht halb so klug, wie Sie uns glauben machen wollen. Setzen!«
     
    Kaum war der Unterricht vorbei, drängten die Studenten nach draußen. Mit ihnen Vogt, gleich als einer der Ersten.
    »Johann, warte endlich, ich muss dich sprechen!«
    Doch er lief weiter, als höre er ihn nicht. Hufeland eilte hinterher auf die belebte Straße. Hinter einer Ecke sah er ihn verschwinden. Als er die Gasse jedoch erreichte, war sie leer. Hufeland wollte zurückgehen, doch nun verstopfte ein Haufen angriffslustiger Studenten die Straße. Mosellaner, wie Hufeland an den grünen Hosen und weißen Jacken unschwer erkennen konnte. Er presste sich an eine Hausmauer und wartete, bis die Meute vorüber war.
    Eine Hand legte sich auf seine Schulter.
    »Johann!«, rief er aus und fuhr herum, doch das Gesicht, das er vor sich sah, gehörte zu Dürrbaum, dem großen Mann mit gekrümmtem Rücken, dem die Aufsicht über das Accouchierhaus oblag.
    »Machen Sie, dass Sie rasch nach Hause kommen«, sagte der tonlos. Und ohne sich noch einmal umzudrehen, ging er weiter.
    Hufeland erstarrte. War das eine Drohung oder eine Warnung? Er spürte, wie sein Körper sich verkrampfte, der Schweiß ihm aus den Poren stieg. Dann eilte er los. Bald lief er, rempelte gegen Händler und Bettler, Frauen mit Waschkörben und Studenten. Stolperte, fing sich wieder und rannte weiter. Die Angst packte ihn, er keuchte, lief um sein Leben. Warum, konnte er nicht sagen, es war ein einfacher Satz gewesen, doch er hatte die Dringlichkeit der Aufforderung verstanden.
    Als er schwer atmend in sein Zimmer stürzte, schrak er sogleich |134| zurück. Vor seinem Tisch stand Vogt, der auf das wüste Durcheinander im Zimmer blickte, der Elektrisierapparat lag zerschmettert in tausend Teile. Der Stuhl umgeworfen, die Taube blutend auf dem Boden. Man hatte sie der Länge nach aufgeschlitzt und mit ihrem Blut eine Wellenlinie auf den Boden gezeichnet, gleich der Form einer Schlange.
    »Was hast du getan?«, schrie er außer sich.
    »Ich war das nicht, glaub mir. Als

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