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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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hatte. Die Stadt war klein und überschaubar, doch es kam ihm vor, als existiere hinter den unscheinbaren Fassaden noch eine andere Welt.
    Nur wenig später erreichte Hufeland das Haus, in dem seine Schwester Hannchen mit ihrem Mann lebte. Eine kleine, baufällige Behausung, die eine Renovierung dringend nötig hätte.
    Seine Schwester, noch im Morgenrock, öffnete die Tür einen schmalen Spalt und lugte hindurch.
    »Christoph, was in aller Welt …« Sofort ließ sie ihn eintreten. Ihr Haar war so zerzaust, als wäre sie gerade dem Bett entstiegen. Der Stoff spannte eng an ihrem Bauch.
    »Frag nicht, Hannchen.«
    »Geht es dir gut?«
    |143| Er versuchte ein Lächeln. »Ist Ernst nicht da?«
    »Doch. Warte, ich bring dir rasch einen Kaffee.«
    Hannchen bat ihn in die Stube, einen engen Raum mit kleinen Fenstern und ehemals weiß getünchten Wänden, nun geschwärzt von den Spuren des Kachelofens. In der Luft hing der Rauch verbrannten Holzes, doch die Wärme war einer zugigen Kälte gewichen.
    Seine Schwester hatte versucht, dem Zimmer mit einfachen Mitteln eine heimelige Atmosphäre zu verleihen. Auf dem Tisch stand eine Vase mit getrockneten Blumen, auf den Stühlen lagen bestickte Kissen. An der rechten Seite war ein dunkles Regal zu sehen, das von oben bis unten mit kleinen Figuren gefüllt war und mit Büchern, abgestoßen und in Leder gebunden, gegenüber ein Schreibtisch aus poliertem Holz. Ein Professor verdiente nicht viel, zumal wenn er so jung war und am Beginn der Karriere stand. Wusste Vater, wie ärmlich seine Tochter lebte? Unentschlossen blieb Hufeland in der Mitte des Zimmers stehen.
    Nur wenig später kam Weber. Er hatte sein Nachthemd an, darüber ein Wams. »Christoph«, rief er besorgt. »Ist etwas geschehen?«
    »Abgesehen davon, dass ich nicht schlafen konnte: nein. Das heißt, doch. Aber ich darf es Ihnen nicht erzählen.«
    »Was darfst du nicht erzählen?«, fragte Hannchen, die soeben die Stube wieder betrat, zwei dampfende Tassen in den Händen. Ihr Haar hatte sie unterdessen geordnet, der Blick war unverändert sorgenvoll. Als die Männer sie schweigend ignorierten, stellte sie die Tassen seufzend auf den Tisch und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer.
    »Setzen Sie sich«, forderte Weber seinen Schwager auf.
    Hufeland blieb stehen, die Hände vor dem Körper verschränkt. »Ich habe einen Eid geschworen, den ich weder mit meinem Gewissen noch mit meinem Glauben vereinbaren kann«, sagte er leise. »Und ich möchte wissen, ob ich mit Ihnen als Freund und Theologe sprechen kann.«
    »Was immer Sie mir erzählen, bleibt in diesem Raum.«
    |144| Hufeland atmete durch. Er versuchte, eine Regung im Gesicht seines Gegenübers auszumachen. Vergeblich. »Es wird wohl ein trüber Tag werden«, sagte er und blickte zum Fenster.
    »Damit haben Sie sicher recht«, antwortete Weber freundlich und trank einen Schluck. »Der Kaffee ist aus getrockneter und gerösteter Gerste. Er ist weit verträglicher als der starke Mokka. Probieren Sie.«
    Hufeland schüttelte den Kopf. Er hatte sein Gewissen erleichtern wollen, von seiner Furcht erzählen. Er hatte gehofft, das Gespräch mit seinem Schwager würde die Last auf seinen Schultern schmälern. Doch nun, da er hier war, wusste er nicht, wie er beginnen sollte, ohne den Eid zu brechen. Und ohne seine Familie in Gefahr zu bringen.
    Er betrachtete die Folianten, die dem Erscheinungsjahr nach geordnet waren, las die Titel, ohne sie in sich aufzunehmen, wandte sich wieder ab. »Ich …« Er stockte.
    »Sie brauchen nichts zu sagen«, sagte Weber. »Ich sehe Ihnen an, dass Sie Angst haben.«
    Hufeland setzte sich zu ihm und umschloss mit den Händen die heiße Tasse. »Albert Steinhäusers Tod geht mir nicht aus dem Sinn.«
    »Es wäre besser, er täte es«, erwiderte Weber leise.
    Hufeland horchte auf. Er dachte an ihr Picknick auf der Lichtung im Wald, am Tag nach dem Unglück. Weber hatte sich nachdenklich abgewandt, nachdem die Sprache auf Carl Lohenkamp gekommen war. Lohenkamp … Der Mörder war seitdem kein Thema gewesen. Und irgendwie hatte Hufeland das Gefühl, dass sein Schwager ihm an jenem Nachmittag etwas verschwiegen hatte.
    »Was meinen Sie damit, warum wäre es besser?«
    Weber wehrte ab. »Ach, es scheint nur, als ziehe jeder, der damit zu tun hat, Unglück auf sich. Es ist schon zu viel geschehen.«
    »Selbst wenn ich vergessen wollte, ich könnte es nicht.« Hufeland schob die Tasse energisch zurück, der Kaffee schwappte über und

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