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Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Koschyk
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Friedrich Steinhäuser den Tod seines Sohnes beweint. Nun aber lag vor ihm ein Brief der Jenaer Universitätsbehörde, der an den königlich-preußischen Polizeicommissarius gerichtet war und um Mithilfe bei der Ergreifung eines Mörders bat, der sich zudem des Raubes von Staatseigentum schuldig gemacht habe. Kujat betrachtete den Briefumschlag. Der Kurier hätte ihn eigentlich an die oberste Behörde geben müssen, aber da gab es wohl keinen Bärenfang, und so landete wieder einmal alle Post bei ihm, wie so oft.
    Kujat las den Brief noch einmal, Satz für Satz. Er war vor drei Wochen geschrieben worden und mit einem offiziellen Siegel der Universität versehen. Einem im kurfürstlichen Ornat abgebildeten Herrscher, darüber die Aufschrift:
ME AVSPICE COEPIT DOCERE GENA
.
    Aber war nicht auch die Benachrichtigung von Alberts Tod von |169| eben dieser Universität gesendet worden? Doch was zählte das. Wenn diese Nachricht der Wahrheit entsprach und Albert lebte, dann musste er es augenblicklich Friedrich Steinhäuser erzählen! Alles andere würde sich regeln lassen. Albert war ein guter Junge, zu einem Mord nicht fähig, sie alle würden es bezeugen können.
    Kujat sprang von seinem Stuhl auf. Noch bevor er den Brief an den Polizeicommissarius weiterleitete, musste er ihn dem Apotheker zeigen.
    Er nahm seinen blauen Rock vom Haken, faltete den Brief und steckte ihn in seine Rocktasche. Dann verließ er die Wachstation, um dem Apotheker die Nachricht zu übermitteln.
     
    Friedrich Steinhäuser wartete, bis Meschkat die Tür hinter sich zuzog. Sorgsam nahm er den Schlüssel und drehte ihn im Schloss. Dann ließ er seiner Wut freien Lauf.
    Zuerst flogen die zinnglasierten Keramiktöpfe, die er mit einer einzigen Bewegung von den Regalen wischte, dann die Tiegel aus Porzellan. Feinste Mineralpuder bestäubten getrocknete Kräuter, Sulfatsalze mischten sich mit dem blassgelben Pulver der Schwefelblume. Der Fußboden glich einem farbenfrohen Morast, einer Malerei des Zorns.
    Einen Moment hielt er inne und betrachtete grimmig sein Werk. Dann ging er von Schublade zu Schublade, riss die Seifen heraus und die Pulver, die Gewürze und Kuriositäten. Der Affenschädel kegelte über den Boden und stieß eine Flasche seines Spezialmittels um, das mit einem zischenden Geräusch entwich.
    Mechthild hatte, aufgeschreckt vom Lärm, die Tür geöffnet und rasch wieder geschlossen; nun sah er, wie sie mit den beiden Jungen am Fenster vorbeilief, es war ihm gleich. Die Welt war ein Trümmerhaufen, in dem er untergehen wollte, ob mit oder ohne Frau.
    Er lachte auf. Meschkat, diese stinkende Qualle, würde nicht eine Unze seines wohlgehüteten Arzneischatzes erhalten, nicht einen Fuß mehr in diese Räume setzen, die er soeben als neuer Besitzer verlassen hatte.
    »Sie sind ein armseliger Wicht«, hatte Meschkat am Morgen gesagt |170| und dabei die Zähne gebleckt. »Ein Spieler und Lügner. Aber meine Geduld ist am Ende. Ich fordere Sie auf, Ihre Schulden wie ein Ehrenmann zu begleichen, ansonsten lasse ich Sie einkerkern.«
    Steinhäuser hatte zu Boden geblickt und seine Hände geknetet. »Ich bitte Sie, verehrter Medizinalrat, geben Sie mir noch ein wenig Zeit. Ich werde das Geld schon aufbringen, einige meiner Logenbrüder sind vermögend.«
    »Sie strapazieren meine Geduld, lieber Friedrich. Sie vergessen, dass Ihre Tochter unsere Vereinbarung nicht einhalten wollte und dass, sofern das Geld nicht bis Mitte Oktober zurückgezahlt wurde, Ihre Apotheke als Pfand eingetragen steht.«
    »Nicht die Apotheke, sie ist mein Lebenswerk!«, hatte Steinhäuser gerufen und die Augen geschlossen, als könne er damit die Realität aussperren.
    »Sehen Sie mich an, Friedrich«, hatte Meschkat eisig entgegnet. »Sie hatten Ihren großen Auftritt, als Sie mir die Rezeptur des Lebenselixiers in Aussicht gestellt haben. Ihren Auftritt und Ihren Applaus. Aber nun, da Sie noch immer mit leeren Händen dastehen, wäre es geradezu vermessen zu erwarten, dass ich auch nur einen Tag länger zögere, mir das zu holen, was mir zusteht!«
    Er hatte auf den Schuldschein in seiner Tasche geklopft und ihn erst zerrissen, als Steinhäuser ihm zum Notar gefolgt war und die Apotheke samt Wohnhaus übertrug. Ab sofort sei er der rechtmäßige Besitzer, hatte Meschkat erklärt, kaum dass die Tinte unter dem Dokument getrocknet war, als könne Steinhäuser die Konsequenzen nicht selbst ermessen. Und das betreffe laut Vereinbarung sowohl die Inhalte von Ladentheke und

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