Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
Labor als auch das Wissen zu deren Erhalt. Er zähle also auf Steinhäusers Mitarbeit, ansonsten könne sich dieser künftig mit seiner Familie auf der Straße vergnügen. Und das sei nur recht so, hatte er ergänzt, für die Schande, die seine Familie ihm bereitet habe.
Zurück in der Apotheke war Meschkat aufmerksam durch den Laden spaziert, hatte die Schubladen geöffnet und mit fleischigen Händen in den getrockneten Pflanzenteilen gewühlt. Steinhäuser hatte zugesehen, wie betäubt, als ginge es hier nicht um ihn, um sein |171| Geschäft, sondern um das eines anderen Apothekers. Erst als Meschkat im Labor angekommen war und eine der Versuchsaufzeichnungen aus dem Regal nahm, war Steinhäuser aus seiner Lethargie erwacht und hatte sie ihm in einem verzweifelten und gleichsam unsinnigen Akt des Aufbegehrens entrissen. Doch statt wütend zu werden, hatte Meschkat nur süffisant gelächelt und sich für den nächsten Tag eine große Schachtel Marzipankonfekt in die Praxis bestellt. Dann hatte er sich mit ausgesuchter Höflichkeit empfohlen.
Steinhäuser lachte bitter auf und konnte das Schluchzen nicht länger unterdrücken. Nein, er würde sich nicht in Meschkats Dienste stellen. Nicht sein Können, sein Wissen, die Ergebnisse jahrelanger Arbeit, so viel stand fest!
Dabei war der Wohlstand so nah gewesen …
Der Staub der aufgewirbelten Substanzen hatte sich gelegt, so dass das Chaos vor ihm sichtbar wurde. Friedrich Steinhäuser sank auf den Boden und begann, mit den Händen eine Spur durch das Gemisch zu ziehen. Bald begann seine Haut zu spannen, eine feurige Röte überzog die Spitzen seiner Finger. Recht so, dachte er und strich die brennende Masse über Wangen und Augen. Recht so!
Er hatte gewusst, dass es ein waghalsiges Unternehmen war, als er seinen Erstgeborenen schickte. Albert war sichtlich erschrocken gewesen, als er ihm von den finanziellen Schwierigkeiten erzählte, die ihre so sicher geglaubte Existenz bedrohten. »Großer Gott«, hatte er geflüstert und dem Vater versprochen, alles zu tun, um das Unglück abzuwenden.
Oh, könnte er es doch ungeschehen machen!
Das Gesuchte habe ich hier gefunden, in diesem Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, halte ich es in den Händen
, hatte Albert geschrieben.
Mehr ist nicht herauszubekommen, daher weisen Sie mir den Betrag an, der mich zurückbringt. Ich habe alles verloren in gutem Glauben an unsere Sache.
Albert hatte Angst. Nun war er tot.
Wie süß war der Traum gewesen, die Rezeptur zum allheilenden |172| Elixier zu erlangen, das der Großprior Johnssen während des Konvents in Altenberga den misstrauisch gewordenen Ordensbrüdern zum Beweis seiner Fähigkeiten mischte, bevor man ihn als Betrüger entlarvte.
Die damals aus Altenberga zurückgekehrten Abgesandten der Königsberger Loge
Zu den drei Kronen
hatten ihm, Friedrich Steinhäuser, dem daheimgebliebenen Logenbruder, das kleine Fläschchen mit einem Grinsen auf den Ladentisch geknallt. Es sei vom größten Scharlatan der freimaurerischen Geschichte, hatten sie gesagt. Es sei wertlos, ein unter großem rituellen Theater und Feuerzauber zusammengemischtes Gebräu, das den großen Erwartungen nicht standhalten konnte. Aber vielleicht könne er als Apotheker etwas damit anfangen? Vielleicht, und dabei liefen ihnen die Tränen vor Lachen, sei es ja geeignet, Warzen wegzuzaubern?
Noch am selben Abend hatte Steinhäuser einen Tropfen der Flüssigkeit auf seinen Handrücken gegeben und daran gerochen. Es war nahezu geruchlos. Der Geschmackstest verriet ihm, dass einer der Bestandteile ein metallisches Salz sein musste. Salz, Gesamtheit des Kristallisierten, die Urform aller Materie.
Seine Zunge hatte zu prickeln begonnen. Noch heute erinnerte er sich an das Gefühl der Erregung, das ihn damals durchdrang. Wie, so hatte er augenblicklich gedacht, war diese Reaktion zu erklären, wenn nicht mit Kraft der Elektrizität? Sollte nun die körpereigene Kraft, die das Leben erhält, eine elektrische sein, müsste dann nicht das Lebenselixier auch einen Stoff enthalten, der es vermochte, derartige Kräfte im Körper hervorzurufen oder gar zu verstärken?
Er hatte innegehalten, mit klopfendem Herzen. Ein weiterer Tropfen auf seiner Zunge lies den Gaumen erbeben, als würden kleine Teilchen blitzschnell um ihre eigene Achse kreisen. Noch ein Tropfen versetzte ihn in ein Hochgefühl, in dem er meinte, seine Kräfte wachsen fühlen zu können. Warum zum Henker hatte man auf dem Konvent nicht
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