Die Alchemie der Nacht: Roman (German Edition)
sollte er ihr erneut zu nahe rücken. In ihrer Nase hatte sich ein angenehmer Geruch verfangen. Zu ihrer Überraschung musste sie feststellen, dass es seiner war. Sie mochte den Duft, so wie sie gern frisches Gras roch oder das Holz der Tannen.
Johann Vogt zog eine Tabakspfeife aus der Tasche, entzündete sie und paffte, bis der Glut ein würziger Geruch entströmte. »Alberts Tod kann man wohl nur als einen Unfall sehen, das sinnlose Ende eines hitzigen Streits, wie er manchmal entbrennt, wenn man |187| verschiedener Meinung ist.« Er klopfte auf seinen Degen, der am Gürtel hing. »In Jena wird das Duell schon bei Kleinigkeiten gefordert, manchmal endet es tödlich. So wie bei Albert.«
Helene nickte, auch wenn sie die Erklärung anzweifelte. Albert hatte von seiner Angst geschrieben, die ihn auf der Stelle nach Königsberg zurückkehren lassen wollte. Von einer Tat, deren Zeuge, nein, Teil er gewesen war. An all das dachte sie, während sie Vogts Ausführungen folgte, doch sie schwieg und rieb sich immer wieder über das Gesicht, um den Tränen Einhalt zu gebieten.
»Was wird jetzt aus Ihnen?«, fragte Vogt unvermittelt. »Reisen Sie zurück nach Königsberg?«
»Ich bleibe, bis mich mein Vater holt«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Was für eine furchtbare Laune des Schicksals. Sie sind noch so jung, Helene, und die Stadt ist voller Gefahren.« Er zog an der Pfeife, legte den Kopf schief und blies den Rauch nachdenklich zur Decke. »Albert war mein Freund, und ich kann mir nicht helfen, irgendwie fühle ich mich für Sie verantwortlich. Ich werde an seiner statt auf Sie achtgeben, das bin ich ihm schuldig. Lassen Sie mich sehen, was ich für Sie tun kann.« Vogt ließ seinen Blick schweifen, begann an ihren Brüsten, um schließlich bei ihren Augen zu enden.
Helene fühlte sich unbehaglich, wünschte, er würde aufhören, sie so zu mustern.
»Vielleicht kann ich ein gutes Wort für Sie einlegen«, fuhr er endlich fort. »Auch wenn Sie schon um wenige Monate zu alt sein mögen.«
»Ein gutes Wort einlegen? Bei wem?«
»Lassen Sie mich erst einmal Rücksprache halten. Aber Sie müssen mir schwören, niemandem etwas zu verraten, wenn ich mich für Sie einsetzen soll.«
»Schwören?«
»Nun, ich kenne einen Weg, wie Sie zu ein wenig Geld kommen können. Es ist nicht viel, aber für den Anfang sollte es reichen. Sie brauchen doch Geld, Helene, oder?«
|188| »Ich würde gern als Hausmädchen arbeiten. Das habe ich schon in Berlin getan, und Mechthild, meine Stiefmutter, hat mir das Kochen beigebracht und auch das Säumen.«
Er lächelte. »Ja, darum werde ich mich kümmern, das verspreche ich. Aber es ist nicht so einfach, es gibt viele Mädchen, die versuchen, in einem guten Haushalt unterzukommen. Meist Bürgertöchter der Stadt. Ich dachte daran, Ihnen etwas zu verschaffen, an dem auch Ihr Bruder mitgewirkt hat. Aber dafür müssen Sie einen Schwur leisten.«
Albert. Augenblicklich sah sie einen Hoffnungsschimmer aufsteigen. Solange sie in dieser unseligen Stadt ausharren musste, würde sie versuchen, alles in Erfahrung zu bringen, was Albert in den letzten Monaten seines Lebens umgetrieben hatte. Aber konnte sie diesem Mann vertrauen?
»Und Sie erwarten, ich würde schwören, ohne zu wissen, um was es sich handelt?«
Vogt schüttelte den Kopf, betrachtete seine Pfeife und klopfte die Reste des Tabaks auf den Tisch. »Sie vertrauen mir nicht, aber ich kann es Ihnen nicht verdenken.« Er wischte die dunklen Krümel auf den Boden und stand auf. »Machen Sie es gut, Helene Steinhäuser. Es war schön, Sie kennengelernt zu haben. Wir werden uns sicher wieder begegnen. Diese Stadt ist klein.«
Der Stimmungsumschwung kam zu plötzlich. Sie sah ihn unsicher an. Doch er lächelte freundlich und offen. Eine schwelende Angst, die Verbindung zu Albert zu verlieren, wenn sie Vogt jetzt nicht zurückhielt, bemächtigte sich ihrer, und bevor er sich zum Gehen wandte, hob sie zögernd die Finger. »Ich schwöre, nichts zu verraten, was immer es auch sein mag.«
»Schwören Sie bei Gott.«
»Bei Gott, dem Vater. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie nichts tun werden, was Albert nicht gutheißen würde.«
»Versprochen, Helene.« Er lächelte zufrieden. »Ich komme in einer Stunde wieder und hole Sie ab.«
»Wohin gehen wir?«
»Das darf ich nicht verraten. Aber ich versichere, dass es Ihr |189| Leben in dieser Stadt erleichtern wird.« Dann stand er auf, grüßte mit einer knappen Verbeugung und
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