Die Alchemie der Naehe
förmlich auf dich stürzte, sodass du rücklings auf dem Sofa lagst. Schwer zu sagen, ob mehr Küsse oder Kiekser laut wurden.
»Entschuldige«, flüsterte sie, während du sie in die Arme nahmst und am liebsten tagelang so verharrt wärst. Und während du schier vergingst vor Glück, wusstest du, dass es vielleicht gar nichts zu entschuldigen gab.
Von nun an würde sie dir wieder deinen Freiraum lassen und nicht mehr versuchen, deinen Entscheidungen vorzugreifen.
Insgeheim warst du fest davon überzeugt, dass sie sich bemühte, gegen ihr Naturell anzukämpfen, dir eine andere, bessere Freundin zu sein.
Du stauntest, wie sie es immer wieder schaffte, sich völlig unerwartet zu verhalten.
Von nun an bemühtet ihr euch jedenfalls, quälende, grundlose Konflikte zu vermeiden.
60
»Aber wenigstens du wirst doch heute Hausaufgaben gemacht haben, oder? Du warst noch nie so faul wie dein Bruder«, sagte eure Mutter in einem Ton, der nichts Gutes verhieÃ.
Daraufhin lief Selvaggia rot an, weil sie an diesem Nachmittag tatsächlich nicht zum Lernen gekommen war â ganz einfach weil ihr viel zu sehr damit beschäftigt gewesen wart, Sex zu haben.
»Na ja â¦Â«, erwiderte Selvaggia zögernd.
Der Blick deiner Mutter hatte mittlerweile etwas Vernichtendes.
»Das ist alles nur meine Schuld«, nahmst du deine Schwester in Schutz. »Wir waren unterwegs.«
»Unterwegs«, wiederholte eure Mutter. »Wieso, habt ihr etwa kein zuhause?«
Du lachtest verlegen. »Meine Güte, musst du immer so über treiben?«
»Die Schule hat schon seit Wochen angefangen«, sagte eure Mutter. »Ehrlich gesagt, weià ich wirklich nicht, was ich dazu sagen soll, Giovanni.« AnschlieÃend sah sie euren Vater an. »Hab ich recht, Daniele?« Euer Vater nickte, wenn auch verhalten. »Ich habe also recht. Und ehrlich gesagt, Giovi, hätte ich schon gedacht, dass du ein bisschen intelligenter, fleiÃiger, vernünftiger, ja reifer wärst. Doch stattdessen hast du bloà schlechten Einfluss auf deine Schwester!«
»Ich glaube nicht, dass ich hier jemanden beeinflusse«, sagtest du gelassen. »Im Ernst: Wenn hier jemand vollkommen ohne Einfluss ist, dann ich.«
»Und ob du sie beeinflusst«, beharrte deine Mutter. »Auch wenn du jetzt so tust, als könntest du kein Wässerchen trüben.«
»Ich kann kein Wässerchen trüben.«
»Ha, ha, versuch nicht, mich auf den Arm zu nehmen.«
Du schütteltest nur den Kopf, sahst erst deinen Vater und dann Selvaggia an: »Tropf, tropf«, sagtest du. »Na gut, von mir aus! Vielleicht bin ich durchaus in der Lage, ein Wässerchen zu trüben. Aber nur an einem gewissen Ãrtchen.«
Selvaggia lachte, wandte jedoch sofort den Blick ab und senkte den Kopf.
»Daniele«, wandte sich eure Mutter an euren Vater. »Hast du Giovanni denn gar nichts zu sagen? Redet man in einem solchen Ton mit seinen Eltern?
Ihr saÃt am Tisch, ein leckeres, noch unangerührtes Risotto auf dem Teller. »Giovanni!« Dein Vater warf dir einen vielsagenden Blick zu â die Gabel bereits sehnsüchtig in der Hand. »Deine Mutter hat recht. Du benimmst dich albern, wenn deine Schwester dabei ist. Du solltest ihr lieber ein Vorbild sein.«
»Na gut«, sagtest du. »Von mir aus. Aber jetzt essen wir, einverstanden?«
»Ja, bitte«, flehte Selvaggia. »Die Schule hat schlieÃlich gerade erst angefangen, richtig stressig wird es erst später.«
»Hör auf, ihn in Schutz zu nehmen«, befahl eure Mutter. »Keine Ahnung, warum du das tust, aber du solltest ihn wirklich nicht in Schutz nehmen.«
»Also dann guten Appetit!«, versuchte euer Vater das Thema zu wechseln. »Es wird alles kalt, und das wäre wirklich schade oder?« Lächelnd nahm er eine erste Gabel. »Das schmeckt wirk lich köstlich, Antonella!«
Doch Selvaggia sagte: »Na hör mal, Mama! Ich nehme ihn gar nicht in Schutz. Ich wollte nur klarstellen, dass Giovanni wirklich keinerlei Einfluss auf mich hat. Ich kann schlieÃlich selber denken. Das habe ich bisher auch immer getan.«
»Ganz genau. Aber jetzt lasst uns essen â bitte!«, sagtest du.
»Jedenfalls solltet ihr nicht so viel Zeit zusammen verbringen«, sagte eure Mutter. »Giovanni hat nämlich sehr wohl Einfluss auf dich.«
Selvaggia schüttelte den
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