Die Alchemie der Naehe
hinuntersauste â¦
So kam es, dass leidenschaftliche Seufzer und leise Schreie das Zimmer füllten, wobei es euch mittlerweile völlig egal war, ob man euch hören konnte oder nicht. Aber weil Selvaggia förmlich mit dir in den Nahkampf ging â einer der seltenen Fälle, bei dem der Mann von seiner Schwester/Freundin vergewaltigt wird? â, machtest du dir darüber keine Gedanken.
Euer Liebesgefängnis in Pieve di Cadore â das war doch nicht euer Ernst? Das war doch zum Totlachen! Klar, ihr wart ohne Eltern, das darf man natürlich nicht unterschätzen: Zum ersten Mal hattet ihr euer eigenes Reich, direkt im Hotel, und in diesem, nur aus einem Bett bestehenden Reich überwältigte dich »die Schönheit ihrer orgiastischen Zuckungen endgültig.«
Komplett kaputt sein. Ihr sanft übers Haar streichen und gleich zeitig feststellen, dass du sie â huch! â erneut begehrst. Fest davon überzeugt sein, dass es auf der ganzen Welt niemanden gibt, der glücklicher ist als du, während die Frau, die du aufrichtig liebst und immer lieben wirst, neben dir liegt.
Mit der Zeit lerntest du sogar, ihren Zynismus, ihre Ironie, ihre Schwächen, ja sogar noch ihre frivolsten Launen zu lieben.
SchlieÃlich war sie in deinen Augen nicht nur Verführung pur, sondern auch eine verletzliche, aufrichtige Person, die zwar das Meer liebte, aber auch auf Skiern eine gute Figur machte, jawohl! Und die auÃerdem intelligent und gebildet war â schlieÃlich las sie nur gute Bücher.
Sie war deine Geliebte, natürlich, aber auch deine Trösterin, wenn du traurig, und ein Energiebündel, wenn du faul und träge warst. Sie war deine unendlich anmutige Psyche, deine extrem sinnliche Lesbia, deine dich unterjochende Circe und eine Marzia, wie sie mitfühlender nicht sein konnte. Sie war deine Kalliope â reine Poesie! â und deine nach Rosen duftende, spröde Daphne. Wie du weiÃt, hättest du diese Aufzählung der Musen Arkadiens so lange fortsetzen können, bis keine mehr übrig war. Dann wäre es an dir gewesen, neue Mythen zu erfinden â falls du denn allen Ernstes erneut in Worte fassen wolltest, was sie dir bedeutete.
69
Das Wachwerden fühlte sich an wie die selbstverständliche Rückkehr aus einer versunkenen Welt. Als Erstes fiel dir auf, dass du halsabwärts mit einer schweren Tagesdecke zugedeckt warst, die irgendjemand leichtsinnigerweise auf dem Bett hatte liegen lassen. Selvaggia schlief noch eng an dich geschmiegt, deshalb strecktest du dich nur ein bisschen aus, um sie nicht zu wecken. Trotzdem protestierte sie mit einem leisen Wimmern. Da strichst du ihr übers Haar, bis sie sich mit einem lauten Gähnen von dir löste.
»Ciao«, sagtest du. »Hast du schön geträumt?«
»Natürlich«, sagte sie lächelnd. »Und du, wie war deine Nacht?«
»Wie immer wenn ich in deinen Armen schlafe, das weiÃt du doch.«
»Wir sind ziemlich romantisch drauf heute Morgen, was?«
»Romantisch? Wenn ich einen neutralen Ton anschlage, findest du, dass ich dich vernachlässige. Wenn ich dich nicht ansehe, denkst du, ich bin mit den Gedanken woanders oder schaue anderen Frauen hinterher. Wenn ich seufze, bin ich angeblich traurig, und wenn ich einmal einen auf romantisch mache, ist es auch wieder nicht recht? Dabei bin ich heute Nacht stundenlang wach gelegen, um diesen Satz zu formulieren!«
»Heute Nacht warst du nicht mal mehr in der Lage, die Augen offen zu halten«, sagte sie und zog die Brauen hoch. »AuÃerdem: eine ganze Nacht für nur einen Satz? Dann wärst du ja eine Art Flaubert für Arme!«
»Von wegen! Das ist mein voller Ernst: Wenn man einen Satz formulieren will, sollte man sich tatsächlich eine ganze Nacht Zeit lassen. Und ein ganzes Leben oder besser gesagt eine Ewigkeit, um dich so zu lieben, wie ich mir das vorstelle.«
(Du Marlon Brando für Arme!)
»Tja, man kann eben nicht alles haben«, sagte Selvaggia lachend, hob den Kopf vom Kissen und sah dich vielsagend an. »Entweder du entscheidest dich für eine Ewigkeit ohne mich oder für ein Leben mit mir. Du hast die Wahl!«
Du tatst so, als würdest du ernsthaft darüber nachdenken, aber natürlich war das bestimmt eine Fangfrage. »Keine Ahnung«, sagtest du schlieÃlich. »Vielleicht eine Ewigkeit ohne ⦠Quatsch,
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