Die Alchemie der Naehe
verfallen, da warst du dir sicher. »Woran denkst du?«, fragtest du.
Selvaggia schüttelte nur achselzuckend den Kopf, als suchte sie vergeblich nach einer Antwort.
»Sag schon!«, fordertest du sie auf. »Woran?«
»Nichts«, erwiderte sie. »Nur dass du heute sehr gut aussiehst.« Sofort versuchte sie, sich hinter ihrem Pony zu verstecken, und lief rot an. Es schmeichelte dir, sie so verletzlich zu sehen. Schon seltsam, dass ihr euch zwar x-mal geliebt hattet, sie aber bei einem Kompliment an dich verlegener war, als wenn sie sich dir nackt zeigte. Trotzdem, ihr unerwartetes Geständnis erfüllte dich dermaÃen mit Stolz, dass du dich schwer zusammenreiÃen musstest: Nicht dass es dir zu sehr zu Kopf stieg! »Nur heute?«, sagtest du lachend. »Und sonst?«
»Nein«, erwiderte sie. »Du siehst immer sehr gut aus.«
»Huch«, murmeltest du. »Selvaggia ist verliebt!«
Lächelnd wich sie deinem Blick aus und stöhnte dann laut auf.
»Hör auf damit!«, ermahnte sie dich, bevor sie deiner Schulter einen gespielten Stoà versetzte.
68
Es wurde eine lange, leidenschaftliche Nacht, und nachdem ihr euch eine Ewigkeit geliebt hattet, bracht ihr gegen drei Uhr morgens erschöpft zusammen. So als wärst du dir selbst entrissen worden, musstest du deine Zärtlichkeiten, deine heiÃen Küsse ganz plötzlich unterbrechen und dich bremsen. Denn genau in dem Moment, in dem du nichts als Begehren überdeutlich spürtest, traf es dich wie der Blitz.
WeiÃt du noch? Selvaggia und ihr im Liebesrausch rot geflecktes Gesicht. Ihre wahnsinnige Ungeduld, die die Luft erbeben lieÃ.
Du beugtest dich zum Nachttisch, suchtest verzweifelt nach der Schachtel mit den Kondomen, fandst sie aber nicht. Du warst dir sicher, noch eine Reserveschachtel zu haben, im Koffer in deinem Zimmer. Andererseits â hatte das nicht noch Zeit? So dringend war es auch wieder nicht â¦
Doch bei so etwas sollte man lieber kein Risiko eingehen.
Da wusstest du schweren Herzens, dass du die vor Sehnsucht vergehende Selvaggia allein lassen musstest, bis du es geschafft haben würdest, diese blöde Reserveschachtel aufzutreiben. Du hieltst den Atem an und flüstertest ihr zu, dass du kurz weg müsstest, etwas Wichtiges zu holen.
Aber sie gibt dir keine Gelegenheit dazu. Sie will nichts davon wissen, allein gelassen zu werden â weder eine Minute noch eine Sekunde. Deshalb umklammert sie dich ganz fest, rührt sich keinen Millimeter von deinem verdammten Schritt weg.
»Hiergeblieben!«, ertönte ihre tiefe, vor lauter Begierde belegte Stimme. »Du kannst mich jetzt unmöglich allein lassen.« Flehend packte sie dich mit ihrer glühend heiÃen Hand an der linken Schulter â mit einer schier unvorstellbaren Kraft.
»Das geht nicht!«, flüstertest du bedrückt, ja fast eingeschüchtert. »Aber ich beeil mich, versprochen!«
»Lass uns weitermachen.« Sie lieà nicht locker. »Ich flehe dich an!« Sie kam näher, küsste dich, umklammerte dich noch fester. Fast lieà sie dich vergessen, was eigentlich das Problem war. Gab es überhaupt ein Problem? Als du dich bei dieser Frage ertapptest, stauntest du selbst über deinen Leichtsinn.
»Das ist zu riskant, mein Schatz«, sagtest du schlieÃlich. »Ich beeil mich. Entschuldige, aber das ist alles meine Schuld.« Du versuchtest, aufzustehen, allerdings vergeblich: Ihre Beine umklammerten deine Hüften, vereitelten jeden noch so festen Vorsatz zu gehen.
»Hiergeblieben, habe ich gesagt!«, wiederholte sie ernst. »Bei dem einen Mal wird schon nichts passieren.«
Jede Faser deines Körpers schlug Alarm: »Das ist doch Wahn sinn«, flüstertest du.
»Los, mach schon, in dieser Nacht wird nichts passieren, was nicht rückgängig zu machen wäre«, flehte ihre Stimme. »Bleib hier, mein Schatz, alles andere überleb ich nicht.«
»Aber ich â¦Â«, hobst du schüchtern an, während sie sich ohne deine Einwilligung mit dir vereinte. Genau in diesem Moment sagtest du nur noch: »Selvaggia â¦Â«Â â halb eine letzte, gespielte Protestaufwallung, halb ein erster lustvoller Seufzer. Und obwohl du in dieser Situation kaum noch klar denken konntest, sahst du doch Bruchstücke eines Bildes vor dir: Da war dieser Schlitten im Schnee, der den Abhang
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