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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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du einen riesigen, erleichterten Seufzer ausstießt.

12
    Am nächsten Tag warst du wieder im Schwimmbad. Du hast versucht, deine Nervosität loszuwerden, und wusstest nicht, ob du extrem beleidigt sein oder dich einfach einer schlimmen Depression überlassen solltest. Du hast die Ereignisse des Vorabends noch einmal Revue passieren lassen, kamst aber wie immer, seit Selvaggia Einzug in dein Leben gehalten hatte, zu keinem Ergebnis; zumindest zu keinem überzeugenden.
    Nach den üblichen fünfzehntausend Bahnen – und unzähligen Standpauken deines Trainers – hast du das Becken verlassen, um eine Pause zu machen. Auch wenn du nicht alles gabst, wurdest du besser, nicht zuletzt weil Badoglio, der Schreckliche, dich nicht aus den Augen ließ. Du wurdest ein echt schneller Hecht, eine eigene Spezies, und die Aussicht, an den regionalen Meisterschaften im Leistungsschwimmen teilzunehmen und sie zu gewinnen, rückte in immer greifbarere Nähe. Für dich war das ein ehrgeiziges Ziel.
    In der Pause hast du dich auf eine Bank gesetzt und den Kopf leicht in den Nacken gelegt, um Mineralwasser direkt aus der Flasche zu trinken, als du auf den gegenüberliegenden Rängen Selvaggia entdecktest. Fast hättest du dich verschluckt. Du sahst angestrengt in ihre Richtung, um dich davon zu überzeugen, dass sie es wirklich war – und verflixt noch mal, sie war es tatsächlich!
    Sofort wurdest du von einem Meer von Fragen bestürmt: Was wollte sie hier? Wie war sie hergekommen? War sie allein? Warum wollte sie dir beim Training zuschauen? Dann konntest du dir erklären, wie sie dich gefunden hatte: Sie musste sich den Weg, den ihr am Vortag mit dem Auto zurückgelegt hattet, gemerkt haben. Aber die eigentliche Frage lautete, warum sie hier war, und nicht, wie sie hergekommen war. Kontrollierte sie dich? Wollte sie sich davon überzeugen, dass du am Vortag die Wahrheit gesagt hattest?
    Du hast die Schwimmkappe aufgesetzt und ein paar Dehnübungen gemacht, bevor du ins Wasser zurückgekehrt bist. Du wusstest, dass sie dich beobachtete, dich nicht aus den Augen ließ, was dich stresste und daran hinderte, in Ruhe zu trainieren. Du schwammst ein paar Bahnen, ohne eine Pause einzulegen – vielleicht weil du dich nicht vergewissern wolltest, ob sie dir dabei zusah –, vielleicht auch, weil du dir das insgeheim wünschtest, um dich vor ihr als schneller Hecht, der das Wasser kaum berührte, zu produzieren.
    Vierzig Minuten später hast du dich nach einer kurzen Dusche angezogen und Selvaggia vor dem Schwimmbad getroffen, wo sie bereits auf dich wartete. Du bist auf sie zugegangen und hast sie begrüßt.
    Â»Und die geheimnisvolle Schwimmerin? Willst du sie mir nicht vorstellen?«, sagte Selvaggia, ohne ein Wort der Begrüßung. Sie wirkte nicht unbedingt wütend, aber eine gewisse Feindseligkeit war spürbar.
    Â»Die war heute nicht da«, verteidigtest du dich, während ihr den Weg zu ihrer Wohnung einschlugt: Je eher ihr euch trenntet, desto eher würde wieder Normalität in dein Leben einkehren – zumindest bis zu eurem nächsten Treffen. Sie musterte dich durchdringend, als hätte sie von Anfang an Bescheid gewusst: Schon als du dir diese harmlose Lüge ausgedacht hattest.
    Â»Was hast du hier eigentlich zu suchen?«, fragtest du, um dich ansatzweise aus dieser unangenehmen Lage zu befreien.
    Â»Nichts Besonderes« erwiderte sie. »Ich hatte einfach Lust, was trinken zu gehen. Wie wär’s, wenn wir zusammen zur Piazza Bra schlendern?«
    Darauf hättest du gern verzichtet, konntest aber wie immer nicht Nein sagen. Sie hatte etwas an sich, das es dir unmöglich machte, sie zu enttäuschen. Zumal die Piazza Bra ohnehin auf dem Weg lag. Also setztet ihr euch kurz an eines der Tischchen im Freien und trankt eine kalte Cola.
    Â»Auf uns!«, sagte Selvaggia irgendwann, als das Gespräch ins Stocken geriet, und hob ihr Glas. Du sahst, wie die Cola aufleuchtete, als die tief stehende Abendsonne hindurchschien. Du begriffst nicht recht, warum sie »auf euch« anstieß, schließlich hattet ihr so gut wie nichts gemeinsam. Trotzdem fühltest du dich geschmeichelt, denn in gewisser Weise hieß das, dass sie sich dir öffnete.
    Die größte Herausforderung, das, was dich an Selvaggia wahnsinnig faszinierte, bestand darin, dass dir ihre wahren Beweggründe stets verborgen blieben und

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