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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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willst. Aber ich kann auch jemanden mitnehmen. Genau, ich werde jemanden mitnehmen, damit du neue Leute kennenlernst.«
    Â»Nein«, sagte sie leise. »Ich will mit dir alleine sein.«
    Wieder kam sie näher, und wieder verbarg sie ihr Gesicht an deiner Brust.
    So verharrtet ihr auf unbestimmte Zeit, wie zwei zahme Zwillingslämmer in der Sonne, während ihr euch an euer Glück klammertet, das so gar nicht von dieser Welt und gleichzeitig zutiefst menschlich war. Euer Glück der geschlossenen Lider, das plötzlich ermöglichte, etwas zu verstehen, ohne sich lange damit beschäftigen zu müssen. Und euer Staunen, das weder Augen noch Sinne nötig hatte, da jeder von euch endlich dort angekommen war, wo er hingehörte.
    Nur dass du bis zu diesem Zeitpunkt gar nichts davon gewusst hattest. Nie hättest du dir träumen lassen, dass dies deine Bestimmung sein würde. Doch genau das war die Aufgabe: durch Liebe zum anderen begreifen, wer man ist.
    Dann kehrten die Dinge von dieser Welt wieder dorthin zurück, wo sie demütig ausharren mussten, um existieren zu können. Und der einzige Mensch, von dem du geliebt werden wolltest, war immer noch bei dir, ging ganz in deiner Umarmung auf.
    Du begriffst, dass das seltsam, aber real war, dass du nie würdest erklären können, wo du gewesen warst – in welcher Welt genau und wie das Ganze vonstatten gegangen war, als sie dir gestanden hatte, allein mit dir nach Malcesine fahren zu wollen. Mit dir . Mit ihrem Bruder .
    Jetzt wusstest du also endlich Bescheid!
    Jetzt spürtest du, dass sie dich jeder anderen Begleitung vorziehen würde, wenn sie denn eines Tages die Wahl hätte.
    Jetzt wusstest du, dass sie mitunter beinahe umkommen würde vor Sehnsucht nach dir so wie du vor Sehnsucht nach ihr. Dass sie an dich denken und ebenso gerührt wie verzweifelt feststellen würde, dass sie dich liebte und nicht mehr ohne dich leben konnte.
    Â»Ganz wie du willst«, sagtest du.
    Und mit diesen schlichten Worten, die man aus Filmen kennt, nahmst du dieses Neue, das noch nichts von sich wusste und doch nur ein Pakt zwischen Liebenden sein konnte, mit offenen Armen auf.
    Ja, o ja, und das alles nur wegen der wundersamen Wirkung deiner Gebete. Jetzt … durftest du hoffen.

13
    Wie vereinbart hast du Selvaggia morgens um Viertel vor neun mit deiner französischen Rostlaube abgeholt. Eure Mutter antwortete dir über die Gegensprechanlage und bat dich, hochzukommen. Als du die Wohnung betratst, fandst du sie völlig verändert vor: Jetzt war alles sauber, aufgeräumt und makellos, und das Kartonchaos, das vorher beinahe den gesamten Eingangsbereich eingenommen hatte, war spurlos verschwunden. Deine Mutter riss dich mit ihrer schrillen Stimme sofort aus deinen Gedanken und bat dich, ihr in die Küche zu folgen.
    Â»Was machst du denn noch hier?«, fragtest du, während sie die Tür hinter dir schloss, weil du sie schon in der Arbeit vermutet hattest.
    Â»Heute gehe ich erst am Nachmittag ins Büro«, verkündete sie. »Und was hast du hier verloren?« Sie begleitete dich ins Esszimmer. Als du ihr gerade erklären wolltest, dass du mit Selvaggia nach Malcesine fahren würdest, führte sie dich durch die ganze Wohnung und weihte dich in ihre Einrichtungspläne ein.
    Schon nach zwei Minuten klingelten dir dermaßen die Ohren, dass du dich fragtest, wie dein Vater das bloß so lange aushielt, ohne zum Rückzug zu blasen oder die weiße Flagge zu hissen.
    Als sie verstummte, gingst du davon aus, dass sie nachdenken wollte. Sie sah dich mit diesem seltsamen, schüchternen Lächeln an, wie um zu sagen, dass sie es nicht gewohnt war, sich mit dir zu unterhalten. Du hingegen bekamst eine Gänsehaut, der du nicht weiter auf den Grund gehen wolltest. Schließlich warst du dir seit Betreten der Wohnung eher wie Selvaggias fester Freund vorgekommen, der zum ersten Mal von einer ihm fremden Mutter empfangen wurde, also mehr als Gast und weniger als Verwandter. Alle Gesten deiner Mutter, all ihre Worte waren bisher reine Höflichkeitsfloskeln gewesen, als sei sie eine Art Hausherrin, die ihre Gäste bittet, es sich bequem zu machen, bis sie sich zurechtgemacht hat. Du hast sie eine Weile gemustert und kamst zu dem Schluss, dass sie vermutlich verlegen war.
    Dann bot sie an, dir einen Kaffee zu kochen und gab dir endlich Gelegenheit, ihre Frage zu beantworten: »Ich bin ge

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