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Die Alchemie der Naehe

Die Alchemie der Naehe

Titel: Die Alchemie der Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaia Coltorti
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du vergeblich darauf beharrtest dahinterzukommen. Würdest du dieses Geflecht aus Missverständnissen und undurchschaubarem Gehabe erst einmal begriffen haben, wäre das schon ein riesiger Fortschritt. Dann würdest du vielleicht sogar die Kraft haben, nicht länger auf ihre grausamen Spielchen einzugehen.
    Jedenfalls begann sie damit, sich dir anzuvertrauen.
    Sie erzählte dir aus ihrem Leben, von den Freundinnen, die ihr fehlten, von den Menschen, zu denen sie unwiderruflich jeden Kontakt verlieren würde, obwohl sie das auf keinen Fall wollte. Und dann schwärmte sie dir von Genua vor, vom Meer, davon wie schön es doch war, es direkt nach dem Aufwachen zu sehen, wenn man ans Fenster trat und das fantastische Panorama der ligurischen Riviera vor sich hatte. Anschließend gestand sie dir, dass sie sich in Verona einsam fühle. Nicht nur in emotionaler Hinsicht, weil sie hier außer dir noch niemanden kannte. Sie empfinde die Stadt als einengend, sagte sie, ganz einfach weil man das Meer nicht sehen könne. Verona liege in einer Ebene, und in der Nähe gebe es nur den Gardasee, den man aber von euch aus nicht einmal sehen könne. Außer man würde den Zug nehmen und zum Lido di Venezia fahren. Ansonsten müsse man sich mit Schwimmbädern zufriedengeben.
    Während sie redete und redete, zogen zahlreiche Bilder an deinem inneren Auge vorbei. Sie zeigten euch beide bei all den Unternehmungen, die ihr gemeinsam machen könntet wie nach Venedig oder Gardaland fahren oder nach Cortina zum Skilaufen. Überall dorthin, wo sie hinwollte. Vielleicht konntest du sie dazu bringen, dass sie Genua vergaß, dass sie lachte, herumalberte, sich in dich verliebte – was selbst in deinen kühnsten Träumen unvorstellbar war, aber nichtsdestotrotz dein innigster Wunsch.
    Â»Ich fühle mich einsam, Johnny«, gestand sie dir irgendwann mit todernster Miene.
    Du sahst sie an und ahntest, dass sich hinter der Unbekümmertheit und den Erwachsenenallüren ein schutzloses, schüchternes kleines Mädchen verbarg. Auf einmal stiegen ihr die Tränen in die Augen, und du wurdest ganz verlegen. Sofort ließen sie dich jede Enttäuschung, jede Gereiztheit ihr gegenüber vergessen. Jetzt gab es nur noch sie.
    Â»He«, sagtest du leise, ohne recht zu wissen, wo du hinschauen solltest. »Bitte nicht weinen! Beruhige dich.«
    Du hast dich beeilt, sie zu trösten, dich gewunden vor Verlegenheit, als du mit beiden Händen ihre Hand nahmst und auch danach, als du sie umarmt hast. Daraufhin beruhigte sie sich ein wenig, verbarg das Gesicht an deiner Brust, schmiegte sich an dich. Da hast du sie geliebt, bist nicht umhingekommen, sie zu lieben. Zum ersten Mal wusstest du mit Gewissheit, welches Gefühl dich bei jedem Wiedersehen überkam.
    Â»Ich habe doch bloß dich«, flüsterte sie.
    Du hast ihr langsam über den Rücken gestrichen, sie angelächelt und ihren Duft aufgesaugt, hast dich geborgen gefühlt in der Zärtlichkeit, die sie in dir wachrief. In diesem Moment hast du begriffen, dass du zwar beschließen konntest, sie dir aus dem Kopf zu schlagen, dies aber höchstens einen Atemzug lang durchhalten würdest. »Weißt du was?«, sagtest du, während du ihr in die Augen sahst und ihr die Tränen abwischtest. »Morgen nehme ich dich mit nach Malcesine, einverstanden?«
    Â»Was ist das, Malcesine?«, fragte sie nach wie vor etwas deprimiert. Ihre zarten Hände ruhten fast körperlos auf deinen Hüften, und du konntest dir tatsächlich nichts Schöneres vorstellen, als sie in den Armen zu halten und ihre Weichheit zu spüren, die körperlichen und seelischen Unterschiede bei aller Nähe. »Malcesine ist ein Ort«, sagtest du. »Am Gardasee. Es gibt auch eine Burg, und man kann dort alles machen, was man am Meer macht, sogar Kanufahren, Segeln – was immer du willst.«
    Â»Und das würdest du wirklich für mich tun?«, sagte ihre Stimme dermaßen ungläubig, dass sich ihre Worte beinahe erübrigten.
    Â»Aber natürlich«, gabst du ebenso hastig wie verwirrt zurück, bevor du sie auf den Scheitel küsstest. Liebevoll hast du ihr Haar zerzaust. Sie überschwemmte dich mit dem Grün ihrer Augen, mit einem Blick, der gar kein Ende mehr zu nehmen und dir nicht zu genügen schien.
    Â»Nur wir beide?«, fragte sie auf einmal wieder ganz fröhlich.
    Â»Ja, wenn du das

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